Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Dachau:Täter im Internet gefunden

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Viel Alkohol, eine blutige Nase und viele offene Fragen: Nach einer Schlägerei am Weinfest steht ein 26-Jähriger vor Gericht. Ein Zeuge will ihn identifiziert haben - mit Hilfe eines Internetportals.

Daniela Gorgs

Auf einem Weinfest wird naturgemäß mehr getrunken, gelacht und gefeiert. Manchmal geraten die Besucher auch in einen Streit und prügeln sich. Wenn sie dann Monate später vor Gericht erzählen sollen, was sich zugetragen hat, geraten sie mitunter ins Schwitzen. Anders in diesem Fall: Ein 26-jähriger Mann ist angeklagt, beim Weinfest in Roßbach im vergangenen Oktober mit Fäusten auf einen 23-Jährigen eingeschlagen zu haben. Dabei soll das Opfer einen Nasenbeinbruch erlitten haben.

Der Angeklagte fühlt sich vollkommen unschuldig. Für ihn ist es unerklärlich, warum er jetzt hier im Amtsgericht Dachau auf der Anklagebank sitzen muss. Er sagt: "Es war ein gemütliches Fest, es ist nichts passiert." Der 26-Jährige berichtet, er sei mit zwei Freunden auf die Feier gefahren, habe sich dort amüsiert und Wein getrunken. Gegen 3 Uhr hätten sich er und die Freunde ins Auto gelegt, um den Rausch auszuschlafen.

Der 23-Jährige, der als erster Zeuge geladen ist, spricht nicht von einem "gemütlichen" Fest. Er erzählt, er habe gegen 5Uhr beobachtet, wie sich sein Freund und der Angeklagte draußen vor der Hütte gebalgt hätten. Er habe zu schlichten versucht und dabei selbst eine kassiert. Der Angeklagte habe ihn gewatscht, woraufhin er selbst rückwärts auf den Boden gefallen sei; der Angeklagte habe sich auf ihn gekniet und mit beiden Fäusten auf sein Gesicht eingeschlagen. "Mir ist das Blut hinten runtergelaufen", berichtet er. Auf mehrmaliges Nachfragen des Vorsitzenden Richters Lukas Neubeck beteuert der 23-Jährige, dass es der Angeklagte gewesen sei, der ihm die Schläge versetzt habe. Über die Internet-Plattform "Lokalisten" habe er ihn eindeutig wiedererkannt. Bevor das Gericht die weiteren vier Zeugen anhört, ermahnt Richter Neubeck den Angeklagten. Noch könne er die Tat zugeben. Doch der Angeklagte bleibt dabei : Er habe die Tat nicht begangen.

Vier weitere Zeugen werden angehört. Zwei Freunde des Opfers bestätigen die Angaben des 23-Jährigen und erkennen den Angeklagten ebenfalls wieder. Gemeinsam mit dem Opfer hatten sie ihn einen Tag nach dem Vorfall auf der Internetplattform entdeckt. Zwei weitere Zeugen allerdings sprechen für den Angeklagten. Sie waren zusammen mit ihm ins Auto zurückgekehrt, um dort zu nächtigen. Beide versichern dem Gericht, dass sie es bemerkt hätten, wenn der Angeklagte das Auto verlassen hätte. Er habe am nächsten Morgen zudem unversehrt ausgesehen, nicht wie nach einer Prügelei.

Richter Neubeck runzelt die Stirn. "Eine komische Geschichte." Er vertagt die Verhandlung, um weitere Zeuge anzuhören. Aussagen sollen zwei Mädchen, die der Angeklagte angepöbelt haben soll. Und ein Mitglied eines Motorradclubs, dessen Shirt der 26-Jährige getragen haben soll.

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Quelle:
SZ vom 27.07.2010
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