Amtsgericht Dachau:Straftaten vor laufender Kamera

Zwei junge Männer zerstören im Suff am Bahnhof Niederroth Fahrkartenautomaten und schmieren Hakenkreuze. Dabei werden sie gefilmt.

Von Petra Schafflik

Videoüberwachung an S- und U-Bahnhof

Wenn ein Verdacht vorliegt, darf auch heimlich überwacht werden.  

(Foto: dpa)

Diese Geburtstagsfeier im Sommer vorigen Jahres werden die beiden jungen Männer wohl so schnell nicht vergessen. Als die heute 20-Jährigen sich am Morgen nach dem feucht-fröhlichen Fest mit dem Zug auf den Heimweg machten, sind sie nämlich offenbar am Bahnhof Niederroth ausgerastet, haben dort erheblichen Sachschaden am Fahrkartenautomat angerichtet und zudem mit ihren Feuerzeugen Hakenkreuze ins Wartehäuschen geschmort. Was ihre Zerstörungswut ausgelöst hat, wissen die beiden selbst nicht zu sagen. Wegen Sachbeschädigung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen hat das Dachauer Amtsgericht die beiden jungen Männer am Montag zum Ableisten von jeweils 48 Sozialstunden verurteilt.

"Das ist eine Tat, die nicht zu erklären ist", sagte Amtsrichter Daniel Dorner in seiner Urteilsbegründung. Und tatsächlich brachte die Beweisaufnahme keine Antwort auf die Frage, warum die zwei jungen Männer in den frühen Morgenstunden im Juli 2012 so außer sich geraten sind. Als einzige Erklärung bleibt ein maßloser Alkoholkonsum. Denn gemeinsam sind die beiden von einem privaten Fest gekommen, wo sie Bier und Schnaps in großen Mengen und offenbar bis zum Blackout getrunken haben. "Eigentlich kann ich mich an fast gar nichts mehr erinnern", sagt der eine Angeklagte, der damals gerade sein Abitur bestanden hatte und jetzt studiert. "Ich weiß nicht einmal mehr, wie wir zum Bahnhof gekommen sind", ergänzt sein Freund, der nach abgeschlossener Lehre gerade auf Stellensuche ist.

Trotz ihrer Erinnerungslücken geben beide die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft reumütig zu. Denn eine Überwachungskamera am Bahnhof hat ihre Taten, die zu einem Schaden von 2300 Euro geführt haben, bis ins Detail festgehalten. Als Dorner im Gerichtssaal einige der dokumentierten Szenen kurz schildert, ist das den jungen Männern sichtlich peinlich. So ist aufgezeichnet, wie die beiden Angeklagten die Glasscheibe eines Schaukastens mit einem Stein zertrümmern, einen Fahrkartenautomaten beschädigen, mit ihren Feuerzeugen eine Holzsitzbank ankokeln und in die Decke des Wartehäuschens drei Hakenkreuze und zwei SS-Runen schmoren. Klar erkennbar ist, so der Amtsrichter, wie sich der Student den Kopf hält, weil ihn ein vom Automatendisplay zurückprallender Stein getroffen hat. Trotzdem wirft er einen weiteren Stein, wird wieder vom Rückprall erfasst. Dieses dumme Verhalten mag der junge Mann selbst gar nicht glauben, schüttelt bei dieser Schilderung betroffen den Kopf. Warum die beiden gerade NS-Symbole per Feuerzeug ins Holz gekokelt haben, weiß keiner der beiden zu sagen. "Vielleicht um zu provozieren?", lautet ihr Erklärungsversuch.

"Eine Dumme-Jungen-Tat, aus der die Unreife geradezu hervorspringt", sagt der Vertreter der Staatsanwaltschaft, der für die beiden Angeklagten nach Jugendstrafrecht eine Verurteilung zu 32 Sozialstunden fordert. Doch mit der Einschätzung als typisches Jugendvergehen tut sich Amtsrichter Dorner schwer. Denn es geht nicht ausschließlich um die Sachbeschädigung. "Wie gerade hier im Landkreis jemand Hakenkreuze und SS-Runen hinschmieren kann, ist mir unverständlich", so der Amtsrichter. Auch wenn er überzeugt sei, dass beide Angeklagte keinen rechtsradialen Hintergrund hätten, bleibe doch die Straftat des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Der Anregung des Staatsanwalts, die Angeklagten einen Aufsatz über die Verbrechen des Nationalsozialismus schreiben zu lassen, folgt Dorner dennoch nicht. Im Laufe des Verfahrens hätten sich die jungen Männer sicher mit dem Thema auseinandergesetzt, das Bewusstsein sei vorhanden. "Es besteht nicht die Gefahr, dass sei in ein rechtes Umfeld geraten könnten." Beide werden verurteilt, 48 Sozialstunden abzuleisten, das Urteil ist rechtskräftig.

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