Nicht nur war der Geschädigte zu den Tatzeitpunkten zunächst noch ein Kind und später ein Jugendlicher, erschwerend kommt auch noch hinzu, dass er der Schutzbefohlene der beiden Angeklagten gewesen ist. Die Taten, sie sind nämlich in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung im Landkreis Dachau geschehen, in der die Brüder zu jenem Zeitpunkt angestellt gewesen sind und in der das heute 16-jährige Opfer gewohnt hat.
Am Montagmorgen müssen sich die beiden 44-jährigen Männer deshalb vor dem Dachauer Amtsgericht wegen des sexuellen beziehungsweise schweren sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen in mehreren Fällen verantworten. Dass sie sich vor dem Jugendschutzgericht geständig zeigen, wirkt sich zwar strafmildernd aus, im Falle des einen Angeklagten führt an einer Gefängnisstrafe trotzdem kein Weg vorbei. Zu schwer wiegen die Vorwürfe.
In insgesamt vier Fällen, die sich allesamt im Jahr 2022 ereignet haben, hat jener Bruder mit dem Geschädigten, anfangs ist dieser gerade einmal 13 Jahre alt, mehrmals Analverkehr gehabt, auch von Zungenküssen und ungeschütztem Oralverkehr ist die Rede. Später, der Geschädigte hat zwischenzeitlich seinen 14. Geburtstag gefeiert, kommt es auch zwischen ihm und dem anderen Bruder zu mehreren sexuellen Handlungen, darunter Oralverkehr und Berühren des Penisses bei Besorgungsfahrten. Der Angeklagte, der, wie sein Bruder, im Landkreis lebt, nimmt den Jugendlichen auch mit zu sich nach Hause. All das räumen die Angeklagten nach einem Rechtsgespräch ein und lassen über ihre Verteidiger ausrichten, was sie getan hätten, tue ihnen leid. Weitere Angaben machen sie zunächst keine.

Justiz:Digitalisierung am Dachauer Amtsgericht schreitet voran
Bereits seit 2020 werden in Familiensachen elektronische Akten geführt. Nun folgt deren Einführung auch bei Strafverfahren.
Später wird der Verteidiger desjenigen Bruders, dem die höhere Strafe droht, noch erklären, dass sein Mandant gewusst habe, dass es nicht richtig war, was er tat und deshalb ja anfänglich auch gezögert habe – aber „dann wurde er doch schwach“. Zugutehalten müsse man ihm dennoch, dass der Geschlechtsverkehr nicht nur einvernehmlich gewesen sei, sondern auch von dem Jungen „bewusst und gewollt“.
Der Geschädigte äußert sich in einer Vernehmung aus dem Jahr 2024, die als Video im Gerichtssaal abgespielt wird, ausführlicher zu den Taten, auch wenn es vieler Nachfragen bedarf. Deutlich werden dabei zwei Dinge: Zum einen ging die Initiative jeweils zunächst tatsächlich von dem jungen Mann aus. Er gibt an, dass er etwas und ja, auch Sex, habe „ausprobieren“ wollen; auf die Brüder sei er gekommen, weil es Gerüchte gegeben habe, wonach sie schwul seien. Zum anderen hat er in einigen Fällen während der Taten oder danach Schmerzen und Ekel verspürt, dies aber nicht artikuliert. Zu den anderen Fällen antwortet er auf die Frage, wie das, was geschehen sei, für ihn gewesen sei: „Es war ok.“
Das Opfer wollte niemandes Leben zerstören
Der Einrichtungsleitung erzählt der Jugendliche nach ein paar Monaten nur von den Taten, weil seine beste Freundin, die ebenfalls in der Wohngruppe lebt, ihm sagt, er solle dies tun „um die Kinder zu beschützen“. Er selbst habe, so erzählt er das, zunächst gezögert, weil er niemandes Leben habe „kaputt machen“ wollen. Nun schlafe er manchmal schlecht, aus Angst, seine einstigen Betreuer könnten sich an ihm rächen wollen. Der 16-Jährige lebt mittlerweile in einer Einrichtung im Landkreis Lindau. Dort, so gibt er an, gefalle es ihm nicht so gut wie einst in jener im Landkreis Dachau.
Nachdem an den Taten selbst nach den Geständnissen der beiden Männer kein Zweifel besteht, geht es für Amtsrichter Daniel Dorner und die beiden Schöffen am Ende nur noch darum, wie die Angeklagten dafür im Detail zu verurteilen sind. Auf einen ungefähren Strafrahmen hatte man sich im Rechtsgespräch im Gegenzug für ein vollumfängliches Geständnis bereits geeinigt.
Jenen Bruder, der Geschlechtsverkehr mit dem Geschädigten, damals noch ein Kind, hatte, verurteilt das Gericht schließlich zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, dazu ein vierjähriges Berufsverbot im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit. Sein Bruder wird zu einer Strafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Auch er darf drei Jahre nicht mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und muss zudem 5000 Euro an den Münchner Verein Amina überweisen, der sich für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt einsetzt. Bei der psychotherapeutischen Fachambulanz für Sexual- und Gewaltstraftäter soll der 44-Jährige zudem abklären lassen, ob er einer Therapie bedarf.