Prozess:„Die Geschichte passt von vorn bis hinten nicht“

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Zwei von drei Ortsschildern im Petershausener Ortsteil Asbach fehlen aktuell. (Foto: Toni Heigl)

Zwei Weichser und zwei Münchner sollen versucht haben, das beliebte Ortsschild von Asbach zu klauen. Sie selbst behaupten das Gegenteil, doch vor dem Dachauer Amtsgericht glaubt man ihnen nicht.

Von Jacqueline Lang, Petershausen

29 Mal. So oft ist das Petershausener Ortsschild „Asbach“ bis Ende März seit 2021 entwendet worden – und seitdem noch fünf weitere Male. Auch schon vor 2021, das bestätigt Bürgermeister Marcel Fath (FW), sei das Schild bereits viele Male geklaut worden, aber mit dem Zählen angefangen, das habe seine Gemeinde erst vor drei Jahren. Aufgrund der schieren Menge an Diebstählen werde das Ortsschild auch nur noch angebracht, wenn die Polizei das Meckern anfange, weil ja ohnehin klar sei, dass es nur wenige Tage dort hängen wird – bevor es dann wieder jemand ach so witzig findet, das Schild zu klauen. Manchmal werden die Diebe erwischt, dann landet die Sache vor Gericht. Und all das wegen „Asbach Uralt“, dem ältesten deutschen Weinbrand.

Am Abend des 29. März jedenfalls hing das Schild wohl ausnahmsweise mal da – und zumindest wenn es nach den vier jungen Angeklagten geht, die sich Anfang Juli vor dem Dachauer Amtsgericht wegen versuchtem Diebstahl verantworten müssen, dann wollten sie auch dafür sorgen, dass das so bleibt.

Der Reihe nach betonen sie alle mehr oder weniger wortgleich: „Wir wollten das Schild nicht klauen.“ Vielmehr hätten sie eine „gute Tat“ vollbringen wollen, als sie überprüft hätten, ob das Schild noch fest montiert sei, sagt eine der Angeklagten, eine 18-jährige Münchnerin – eben weil man ja wisse, wie begehrt das Schild sei. Zwei hätten das Schild deshalb mit einer Taschenlampe kontrolliert, während die anderen zwei einmal gewendet hätten, um die anderen nach der Kontrolle wieder mit dem Auto einzusammeln. Werkzeuge habe man keins dabeigehabt. Habe man ja auch nicht gebraucht, man habe ja nichts abmontieren wollen.

SZ-Serie "Ein Anruf bei ..."
:"Manche fällen das Schild mit der Akku-Flex wie einen Baum"

Die Gemeinde Petershausen in Oberbayern hat ein Problem: Schon wieder sind zwei Schilder des Ortsteils Asbach geklaut worden. Dabei hat Bürgermeister Marcel Fath schon so einiges versucht, um die Diebe zu stoppen.

Interview von Jacqueline Lang

Richter Christian Calame hört sich die Aussagen von allen vier Angeklagten an und jedes Mal fragt er, ob sie wirklich bei dieser Version ihrer Geschichte bleiben wollten. Einen Hehl daraus, dass er ihnen nicht glaubt, macht er dabei nicht. Außerdem lässt er durchblicken, dass für ihn auch eine Einstellung des Verfahrens denkbar wäre, weil drei der vier Angeklagten noch keinerlei Vorstrafen haben. Dafür jedoch bräuchte es ein Schuldeingeständnis. Die zwei 18-Jährigen, der 16-Jährige und der 24-Jährige bleiben dennoch dabei: Sie wollten das Schild wirklich nicht mitnehmen.

In der Nacht vom 29. März gibt es insgesamt zwei Diebstahlversuche

Die Version, die der Zeuge, ein 49-jähriger Asbacher Jäger, erzählt, ist indes eine andere: Weil man ja wisse, dass das Schild andauernd geklaut werde, sei ortsintern irgendwann beschlossen worden, „dass man besser aufpasst“. An besagtem Abend gegen kurz vor 22 Uhr jedenfalls habe er durch seine Nachtsichtkamera beobachtet, wie ein Auto zweimal in den Ort rein- und wieder rausgefahren sei, während sich zwei junge Männer am Schild zu schaffen gemacht hätten. Das hätten sie aber „nicht so richtig weggebracht“. Dass sie auch Werkzeug dabeihatten, da ist er sich sicher; er habe es eindeutig klimpern gehört. Dass man bei den jungen Erwachsenen später keins gefunden habe, erklärt er vor Gericht damit, dass sie wohl „gespannt“ hätten, dass gleich die Polizei kommt und sich der Beweismittel noch entledigt hätten.

Nachdem das Abmontieren nicht geklappt hätte, seien alle vier zunächst zusammen weggefahren, er selbst sei ihnen in seinem Auto gefolgt. Die 18-Jährige am Steuer sei zwar „korrekt gefahren“, mehrmals hätte sie jedoch versucht, ihn abzuschütteln. Als sie in eine Einbahnstraße gefahren sei, habe er an der Wirtschaft „Birnbaum“ in Weichs gewartet. Dort hätten ihn die Angeklagten schließlich angesprochen, und er habe sie darüber informiert, dass die Polizei auf dem Weg sei. Und, das ergänzt der Mann aus Asbach noch, allein in jener Freitagnacht hätten insgesamt zwei Gruppen versucht, das Ortsschild zu klauen – die anderen sogar mit Waffen.

Nach dieser detaillierten Zeugenaussage gibt Richter Calame den Angeklagten noch einmal die Chance, „Pluspunkte“ zu sammeln und auszupacken. Noch einmal betont er: „Die Geschichte passt von vorn bis hinten nicht“, denn warum bitte schön sollte zwei, die in Weichs, und zwei, die in München, wohnen, so viel daran gelegen sein, dass das Asbach-Schild nicht abhandenkommt und das auch noch so spät am Abend? Der 18-jährige Weichser sagt daraufhin, dass er regelmäßig dort unterwegs sei und er und seine Freunde ja auch keine Lust hätten, „irgendwelche Leute zusammenzufahren“.

Dazu muss man wissen: Wenn das Ortsschild fehlt, fehlt mit ihm auch eine Geschwindigkeitsangabe. Innerhalb von Ortschaften darf man nämlich, sofern nicht anders angegeben, maximal 50 Kilometer pro Stunde fahren. Ohne Schild gibt es aber eben auch keinen Ort, dann fährt man rein rechtlich durch eine Grauzone. Wobei zur Wahrheit auch gehört: Auch mit Schild fahren die Leute häufig viel zu schnell. Kontrollieren und entsprechend ahnden kann man das aber auch nur, wenn das Schild hängt. Denn ohne Schild auch keine Geschwindigkeitsmessung. Und nur, damit man mal das Ausmaß des Problems versteht: Zuletzt gemessen wurde laut Bürgermeister Fath am 28. November 2023.

Zwei von drei Ortsschildern fehlen aktuell mal wieder

Für das Verfahren vor dem Amtsgericht spielt diese Verkehrsproblematik allerdings keine Rolle, es geht allein darum, ob die vier Angeklagten versucht haben, das Schild zu klauen oder nicht. Und in diesem Punkt sind sich Staatsanwaltschaft und Richter Calame einig: Sie wollten es klauen, wie schon so viele andere vor ihnen. Die „Schutzbehauptung“, wonach man das Schild nur habe kontrollieren wollen, sei, so die Staatsanwältin, „absolut lebensfremd“; auch Richter Calame mag nicht so recht glauben, dass die vier „Wohltäter“ gewesen sein sollen.

Und so verurteilt er die zwei 18-Jährigen und den 16-Jährigen, die alle in einer Ausbildung sind, schließlich nach dem Jugendstrafrecht zu einer Geldstrafe von je 150 Euro, den 24-Jährigen, der derzeit keiner Beschäftigung nachgeht, zu einer Geldstrafe von 300 Euro. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Und in Petershausen? Da fehlen im Ortsteil Asbach derweil mal wieder zwei der insgesamt drei Ortsschilder.

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