Amtsgericht Dachau:Nudeln mit Soße als Beute

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Eigentlich war das ein ganz normaler Einkauf: Eine Dachauerin ging in eine Metzgerei und zahlte. Doch nun musste sie sich vor dem Amtsgericht verantworten - wegen räuberischem Diebstahls.

Gregor Schiegl

Einen Job hat sie nicht, Kinder auch nicht. Sie lebt von Hartz IV. Wochenlang hatte sich die depressive Frau in ihrer winzigen Dachauer Wohnung eingeschlossen.

Sie bezahlte in einer Dachauer Metzgerei mit einem 100-Kronen-Schein und flüchtete: Das Amtgericht verurteilte sie zu einer Geldstrafe. (Foto: APN)

Als sie sich endlich hinauswagte, wog sie nur noch 44 Kilo. Und das Unglück ging weiter: Ein Einkauf in einer Dachauer Metzgerei lief derart schief, dass sie sich vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Dachau verantworten musste. Wegen räuberischen Diebstahls.

Mindestens ein, maximal 15 Jahre Haft sieht der Gesetzgeber für dieses schwerwiegende Delikt vor. Für die angeklagte Tat erschien dieser Strafrahmen dem Gericht aber "nicht passend".

Richter Lukas Neubeck milderte die Mindeststrafe deshalb noch zwei Mal ab, sodass am Ende eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro standen. "Eine geringere Strafe ist für so einen Fall gar nicht mehr möglich", sagte Neubeck.

Im Oktober vergangenen Jahres hatte sich die Angeklagte in einer Metzgerei in der Frühlingstraße zwei Tüten mit Lebensmitteln vollpacken lassen: eine mit Nudeln und Soße (Wert 5,50 Euro) und eine mit Rohkost, Kartoffelsalat und Bratensülze (Wert etwa sieben Euro).

Der Verkäuferin übergab sie einen gefalteten 100-Kronen-Schein, den sie aus einem früheren Urlaub besaß, entweder aus Dänemark oder Norwegen, das blieb in der Verhandlung unklar. Der Wechselkurs für 100 Kronen liegt derzeit bei 12,65 Euro, beziehungsweise 13,42 Euro.

"Die Frau war sehr nett", erinnerte sich die 57-jährige Ex-Verkäuferin in der Verhandlung, sie habe einen sehr guten Eindruck gemacht. Erst habe sie den Geldschein gar nicht so genau angesehen.

"Ich wollte nur noch weg"

Doch als die Kundin nach dem Zahlen hastig den Laden verließ, habe sie aber gleich gewusst: "Da ist was oberfaul!" Die Frau wollte draußen gerade in die Pedale ihres Radls treten, als die hinterhereilende Verkäuferin sie erwischte und am Gepäckträger festhielt. Die Tüte mit der Bratensülze konfiszierte sie aus dem Einkaufskorb am Lenker; dafür riss die Angeklagte der Verkäuferin den Geldschein wieder aus der Hand.

"Wenn sie die Sachen einfach zurückgegeben hätte, wäre die Sache für mich erledigt gewesen", sagte die Verkäuferin. Aber die Tüte, die schon im Rucksack verstaut war, wollte die Kundin partout nicht herausrücken: "Ich wollte nur noch weg."

Einem Gutachten des Landgerichts zufolge war bei ihr zur Tatzeit "eine verminderte Steuerungsfähigkeit zumindest nicht sicher auszuschließen".

Weil die Verkäuferin das Fahrrad nicht losließ, machte sich die Angeklagte schließlich zu Fuß aus dem Staub. Eine Kundin, deren Mann als Hauptmeister bei der Polizeiinspektion Dachau arbeitet, alarmierte die Polizei.

Sie half den Beamten auch bei der Suche nach der Flüchtigen, zunächst aber ohne Erfolg. Einige Zeit später begegnete sie der gesuchten Frau an der Münchner Straße wieder , beim Einkaufen. Sie verständigte ihren Mann per Handy; der stellte die Flüchtige mit Kollegen in einen Supermarkt an der Schleißheimer Straße.

Nach anfänglichem Leugnen gestand die Frau die Tat: Im Geldbeutel hatte sie noch den 100-Kronen-Schein. Die Banknote hatte sie Wochen vorher bei der Sparkasse Dachau einwechseln wollen. Sie tat es dann doch nicht: Die Umtauschgebühr sei ihr zu hoch gewesen, hieß es.

© SZ vom 20.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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