Amtsgericht Dachau:14 Monate draufgepackt

Wegen ein paar Graffitis kommt normalerweise niemand 14 Monate hinter Gitter. Außer es gibt besondere Gründe dafür. Wie in diesem Fall.

Gregor Schiegl

Amtsgericht Dachau: Immer wieder ein Ärgernis: Graffiti-Schmieriereien wie hier am Bahnhof in Röhrmoos.

Immer wieder ein Ärgernis: Graffiti-Schmieriereien wie hier am Bahnhof in Röhrmoos.

(Foto: DAH)

- Der 28-Jährige wird in Handschellen vorgeführt. Seit 15 Monaten sitzt er in der Justizvollzugsanstalt Bernau. Und nun brummt ihm das Dachauer Amtsgericht noch einmal 14 Monate auf - wegen mehrfacher Sachbeschädigung. Der Staatsanwalt hat 18 Monate gefordert, der Verteidiger zwölf. Auch ihm ist klar, dass sein Mandant nicht mehr mit einer Bewährungsstrafe davonkommen wird: Der schwerst Drogenabhängige hat vor einem Jahr das Methadon, das die Ärzte ihm zu Therapiezwecken im Voraus gaben, an einen Bekannten in Dachau vertickt - und das ist illegal. Aus der damaligen Verurteilung resultiert noch eine offene zehnmonatige Haftstrafe.

Die Vorwürfe, um die es diesmal geht, sind vergleichsweise läppisch: Zugedröhnt von Alkohol und Methadon ist der junge Mann vor eineinhalb Jahren durch Dachau gezogen und hinterließ seine Tags. "M&M Style" war einer dieser Graffiti-Kürzel, die die Polizei auch in seiner Wohnung fand. Er hinterließ sie an einer Unterführung, an einem Wegweiser in der Straße der KZ-Opfer, an einer Telefonzelle und an Hauswänden. Es sei "aus einer Laune" geschehen, erklärt der Angeklagte, selbst etwas ratlos. "Mit klarem Kopf hätte ich viele Sachen nicht gemacht."

Vehement bestreitet er allerdings, kurz vor seiner Festnahme einen Kleinwagen in der Ludwig-Dill-Straße zerkratzt zu haben. Die Besitzerin, eine 48-jährige Hausfrau, schildert, wie sie ein knirschendes Geräusch hörte. Als sie aus dem Küchenfenster sah, habe sie zwei lange Kratzer in ihrem damals noch neuwertigen Auto gesehen und eine Gestalt, die sich entfernte. Es könnte der Angeklagte gewesen sein - oder auch nicht. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren in dieser Angelegenheit ein; bei der Strafzumessung wäre es ohnehin nicht mehr ins Gewicht gefallen.

Der Angeklagte hätte allerdings durchaus die Chance gehabt, seine Haftzeit um ein Drittel zu verkürzen, wenn er freiwillig eine Therapie gegen seine Drogenabhängigkeit begonnen hätte. Seit seiner Inhaftierung, sagt der Angeklagte, habe er keine Drogen mehr genommen. Richter Lars Hohlstein beeindruckt das wenig. Im Knast sei der Mann zwangsweise clean; der Richter bezweifelt allerdings, ob er nach der Haft "den Verlockungen der Freiheit" widerstehen kann. Dagegen argumentiert der Angeklagte, dass man auch im Gefängnis an Drogen komme. Wenn man 20 Stunden am Tag in der Zelle hocke, habe man einen guten Grund, Drogen zu nehmen: "die Zeit rumbringen".

Den Richter überzeugt das nicht. Außerdem stimmt er mit dem Staatsanwalt überein, dass die Sozialprognose für den Angeklagten alles andere als gut ist. Tatsächlich hat der Angeklagte fast kein Vergehen ausgelassen: Sachbeschädigung, Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Bedrohung, Körperverletzung, Diebstahl, Besitz und Handel mit Betäubungsmitteln, Unterschlagung, Erschleichen von Leistungen, unerlaubter Waffenbesitz, Tierquälerei.

Bei der ersten Eintragung war er 16, mit 18 wurde er erstmals zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt wegen Drogenhandels in 150 Fällen. Der 28-Jährige hat weder einen Schulabschluss noch eine Ausbildung.

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