Meinungsfreiheit:Hausdurchsuchung nach Merkel-Meme

Meinungsfreiheit: Das Amtsgericht Dachau sieht im Posten des Memes keine Anstiftung zum Totschlag.

Das Amtsgericht Dachau sieht im Posten des Memes keine Anstiftung zum Totschlag.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Ein Schwabhausener postet auf Facebook ein Foto von einer axtschwingenden Oma mit Bezug zur ehemaligen Bundeskanzlerin. Vor dem Dachauer Amtsgericht wird die Frage diskutiert, ob er damit zum Totschlag aufrief.

Von Jessica Schober, Dachau

Eines macht der Angeklagte zum Schluss dieses Prozesses klar: "Das war mir eine Lehre genug, ich habe mich längst bei Facebook abgemeldet." Der am Verhandlungstag 53-jährige Schwabhausener hätte sich wohl nie träumen lassen, mit einem Bildchen, das er im Internet verbreitete, solche Probleme zu bekommen. Doch letztlich bescherte ihm der Umstand, dass er ein Merkel-kritisches Meme in dem sozialen Netzwerk postete sogar eine Hausdurchsuchung gegen 6 Uhr in der Früh. Vor dem Dachauer Amtsgericht wurde nun darüber gestritten, ob sein Beitrag unter die Meinungsfreiheit fällt oder einen Aufruf zum Totschlag darstellt.

Im Frühjahr 2021 beteiligte sich der Angeklagte aus Schwabhausen an einer Debatte auf Facebook über die Diätenzahlungen für Politiker. Unter dem Beitrag eines anderen Nutzers kommentierte er öffentlich sichtbar, es sei Zeit "diesen Sumpf trocken zu legen". Im weiteren Verlauf der Diskussion pinnte er ein sogenanntes Meme an - ein Bild einer axtschwingenden älteren Dame mit dem Spruch "Wo ist diese Merkel? Es reicht". Die Staatsanwaltschaft sah darin einen Aufruf zum Totschlag.

Der Angeklagte ließ über seinen Verteidiger eine Stellungnahme verlesen. Er gab zu, das Bild veröffentlicht zu haben und kritisch zur damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu stehen - "aber das tut nichts zur Sache", wie sich der Verteidiger beeilte mitzuteilen. Sein Mandant habe das Meme "nicht als Totschlagsaufruf gegen Angela Merkel verstanden". Er fügte an: "Wenn das hier tatsächlich strafbar wäre, dann hätten wir in Deutschland plötzlich Hunderttausende Straftaten mehr."

"Dieser Fall macht juristisch Spaß"

Dem stimmte Richter Tobias Bauer in einer Vorab-Stellungnahme zu, wenngleich "das Argument zu kurz greife", es gebe schließlich auch Tausende Ladendiebstähle in diesem Land. Der Richter las daraufhin nicht nur die Wikipedia-Definition über "Memes" vor, sondern auch ganze Absätze aus dem juristischen Standardwerk des Münchner Kommentars. "Wenn man nicht direkt betroffen ist, dann macht dieser Fall juristisch schon Spaß", sagte der Richter.

Hätte der Angeklagte einen direkten Aufruf zur Tötung von Merkel verbreitet, so wäre dies nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen, so der Richter. Er könne in dem Bild der axtschwingenden älteren Dame in Kombination mit dem Schriftzug jedoch keinen "imperativen Charakter" erkennen. "Eine mögliche Straftat gutzuheißen ist zwar moralisch verwerflich, aber nicht strafbar." Zudem sei die abgebildete Axt auch "keine AK47", es sei keine konkrete Anstiftung zur Tat in dem Bild zu erkennen. Satire sei zwar häufig geschmacklos, so der Richter, aber er könne an dieser Stelle keine Ernsthaftigkeit der Totschlagsabsicht erkennen.

"Neigung zum schwarzen Humor wurde mir zum Verhängnis"

Das sah die Staatsanwaltschaft naturgemäß anders. Mit dem Meme werde mit "einem appellativen Charakter" zu einer Straftat aufgefordert. "Der Angeklagte wollte, dass die damalige Regierung beseitigt wird." Was denn sonst mit der Axt auf dem Bild konnotiert werden sollte, fragte der Staatsanwalt in die Runde. "Ich halte vor allem die Kombination der Kommentare für strafbar und die Ernstlichkeit sehe ich ebenso gegeben." Die Staatsanwaltschaft forderte, der Angeklagte solle 4200 Euro zahlen und sein beschlagnahmtes Smartphone solle eingehalten werden.

Der Angeklagte äußerte sich schließlich noch selbst. Er sei ein äußerst friedliebender Mensch. "Ich habe bloß eine Neigung zum schwarzen Humor, und die ist mir nun zum Verhängnis geworden." Er hätte nicht gedacht, dass sein Beitrag im Netz solche Konsequenzen nach sich ziehen könne, seit der Hausdurchsuchung habe er nicht mehr wirklich gut geschlafen.

Das Gericht sprach den Angeklagten schließlich frei. Richter Bauer legte dem Freigesprochenen nahe, sich künftig zurückzuhalten. "Das Netz ist ein Brutkasten, in dem manche Ideen landen, die früher vielleicht am Stammtisch kursiert hätten. Da ist weniger mehr."

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