Amtsgericht Dachau:Mein Freund, der Dealer

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Eine Frau zeigt ihren Partner wegen Drogenhandels in großem Stil an. Verurteilt wird er für den Besitz von 1,4 Gramm Marihuana.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Peter F. (Name geändert) soll für 6000 Euro Speed gekauft haben, so lautet die Anklage. Der 25-jährige Versicherungskaufmann sitzt mit Anzug und Krawatte in Saal A des Dachauer Amtsgerichts und ist sichtlich nervös. Weil er schon dreifach vorbestraft ist und unter offener Bewährung gehandelt haben soll, steht die Freiheit des jungen Mannes auf dem Spiel. Bei einer Verurteilung, so sieht es das Gesetz vor, muss er für mindestens ein Jahr ins Gefängnis.

Die Staatsanwaltschaft wirft Peter F. vor, sich des vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht zu haben. Oftmals basieren derartige Anklagen auf einem Drogenfund beim mutmaßlichen Täter. Im vorliegenden Fall aber stützt die Staatsanwaltschaft ihre Anklage einzig auf die Angaben der damaligen Lebensgefährtin des 25-Jährigen. Bei einer Hausdurchsuchung des Mannes waren lediglich 1,4 Gramm Marihuana gefunden worden - strafbar als unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln.

Die damalige Freundin von Peter F. erzählt vor Gericht von einer gemeinsamen Autofahrt. Sie habe ihren angetrunkenen Freund von einer Feier abgeholt. Das sei etwa sechs Wochen gewesen, nachdem sie ein Paar wurden. Während der Autofahrt soll Peter F. ihr von einem lukrativen Nebenjob erzählt haben, der ihm mehrere hundert Euro pro Stunde einbringe. Schließlich soll er weiter ins Detail gegangen sein und berichtet haben, soeben Amphetamin für 6000 Euro eingekauft zu haben. Er wolle die Drogen gewinnbringend verkaufen und habe bereits 800 Euro umgesetzt. Seine Partnerin befinde sich just in diesem Moment auf einer Kurierfahrt, die wiederum 300 Euro einbringe.

Die Frau schildert weiter, dass sie 18 Stunden nach besagtem Gespräch kurzerhand und ohne Vorwarnung die Dachauer Polizei aufgesucht und gegen ihren Partner Anzeige erstattet habe. Bereits beim Feiern seien ihr die großen Pupillen ihres neuen Freundes aufgefallen. "Ich konnte mir leider vorstellen, dass er das Speed gekauft hat", sagt sie.

Die Frau bereut die Anzeige

Weshalb sie Anzeige erstattet hatte, ohne mit ihrem Freund vorher zu sprechen, kann sich die Frau heute selbst nicht mehr erklären. "Mir hat es wahnsinnig leid getan, dass ich ihn angezeigt habe. Mir war klar, dass er dafür ins Gefängnis gehen kann. Aber für mich war es grundsätzlich richtig, zur Polizei zu gehen."

Die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck führte schließlich eine Hausdurchsuchung bei Peter F. durch. Die Beamten fanden nach Angaben des zuständigen Ermittlers weder Speed noch andere Gegenstände, die auf den Konsum oder Verkauf harter Drogen hinweisen könnten. Auch wurden bei der Auswertung seines Handys keine szenetypischen Kommunikationen festgestellt. Ihr einziger Fund waren die besagten 1,4 Gramm Marihuana, die im Drucker des Angeklagten versteckt waren.

Der Staatsanwältin sind die Angaben der Hauptbelastungszeugin zu bruchstückhaft und zu widersprüchlich im Vergleich mit ihrer polizeilichen Aussage. "Das ist mir alles zu unsicher, um eine Verurteilung zu beantragen." Was das Handeltreiben mit Speed betrifft, plädiert sie auf Freispruch. Amtsrichter Lukas Neubeck kommt dem Antrag nach und spricht den Angeklagten von dem "gravierenden" Vorwurf frei. "Es gibt keine Indizien, die den Drogenkauf bestätigen."

Verurteilt wird der vorbestrafte 25-Jährige trotzdem - für den Besitz von 1,4 Gramm Marihuana. Er erhält dafür eine Geldstrafe von 2100 Euro. Die Nervosität des Angeklagten weicht einem erleichterten Grinsen.

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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