Amtsgericht Dachau:Lügenmärchen platzt vor Gericht

Wochenlang sei sie unter Alkohol gesetzt, eingesperrt und vergewaltigt worden, behauptete eine 33-Jährige - und setzte damit umfangreiche Ermittlungen in Gang.

Daniela Gorgs

Die Geschichte klingt so unglaublich, dass sie als Vorlage für einen Kriminalfilm dienen könnte. Eine fünffache Mutter flieht vor ihrem Ehemann zu der Cousine des Mannes. Statt unterstützender Hilfe erfährt sie dort psychische Hölle. Wird wochenlang festgehalten. Betrunken gemacht und von einem Bekannten der Cousine vergewaltigt. Nach einem halben Jahr kehrt sie wieder zu ihrem Ehemann zurück und versöhnt sich mit ihm. Er steht ihr bei, als sie bei der Polizei Anzeige erstattet gegen die Cousine und ihren Lebensgefährten wegen Freiheitsberaubung und gegen den Bekannten der Cousine wegen Vergewaltigung oder sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger.

Jetzt muss sich die 33-jährige Frau vor dem Amtsgericht Dachau wegen falscher Verdächtigung in zwei Fällen verantworten. Ihre Angaben, die sie bei der Polizei gemacht hatte, waren falsch. Nach zwei Rechtsgesprächen ringt sich die 33-Jährige zu einem Geständnis durch. Es scheint, als könne sie das Erlebte nur schwer einordnen, Wahrheit verschwimmt mit Unwahrheit. Hat die Cousine des Mannes sie so sehr psychisch beeinflusst, dass ihre Wahrnehmung verzerrt war? War sie wirklich in der Wohnung eingesperrt? Die Angeklagte fängt an zu weinen. Sie sagt, sie wolle die Erinnerungen aus ihrem Gedächtnis streichen. Es fällt ihr schwer, darüber zu reden. Doch die Staatsanwältin bohrt. Und immer wieder springt der Pflichtverteidiger seiner Mandantin bei. Die 33-Jährige erklärt, dass die Cousine des Mannes damals einen starken Einfluss auf sie ausübte. "Sie hat mir viel eingeredet. Und ich ließ mir viel einreden." Seit 18 Jahren sei sie mit ihrem Mann verheiratet. Niemals habe sie Alkohol getrunken. Disco, Partys, Ausgehen, andere Männer - all das sei ihr fremd. Wie nur sollte sie nun ihrem Ehemann erklären, wo sie wochenlang war?

Sie griff zum falschen Mittel und setzte mit ihren Verdächtigungen eine Ermittlungsmaschinerie in Gang, die einen Aktenordner füllt. Und das hält ihr der Vorsitzende Richter Lars Hohlstein vor. Das Problem sei, dass die Angeklagte bei der Polizei nicht nur erzählt habe, dass sie psychisch beeinflusst wurde, sondern auch, dass sie körperlich eingesperrt war. Die 33-Jährige habe viele Polizei-Ressourcen für einen Familienstreit gebunden, die niemals hätten gebunden werden dürfen. Um das Verfahren gegen die Angeklagte nicht ebenso aufwendig zu betreiben, schickt Richter Hohlstein die geladenen Zeugen wieder nach Hause.

Die Staatsanwältin plädiert auf schuldig und fordert eine zehnmonatige Bewährungsstrafe. Sie wirft der Angeklagten, die bereits fünf Mal wegen Täuschungsdelikten verurteilt worden war, vor, erheblichen Ermittlungsaufwand verursacht zu haben, um persönlich aus der Sache herauszukommen. Der Pflichtverteidiger beschreibt seine Mandantin als "schwache Persönlichkeit". Sie sei genug gestraft, um das Ganze zu verarbeiten. Acht Monate Bewährung hält er für eine ausreichende Strafe.

Richter Hohlstein verurteilt die 33-Jährige zu zehn Monaten Bewährung und spricht von einer Verzweiflungstat. Die Mutter hatte drei Kinder zurückgelassen und zwei mitgenommen. Die psychische Belastung muss groß gewesen sein. Um die soziale Situation der Frau künftig zu verbessern, unterstellt er sie einer Bewährungshelferin. Zudem musst sie 100 Sozialstunden ableisten.

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