Amtsgericht Dachau:Lügen, Kunst und nackte Haut

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Der Prozess gegen einen Mann, der Antiquitäten im Wert von 180 000 Euro veruntreut haben soll, bringt neue Details ans Licht - doch die sind eher verwirrend

Von Jacqueline Lang, Dachau

Auch nach dem zweiten Verhandlungstag am Amtsgericht Dachau bleibt unklar, ob der angeklagte Odelzhausener die Gemälde, Vasen, Bronzefiguren und Silberbesteck von einem Ehepaar aus Mühldorf am Inn im Wert von 180 000 Euro nun veruntreut hat oder nicht. Nach einem Rechtsgespräch, das die Staatsanwältin nach einigem Hin und Her vorschlägt, zeigt sich das Schöffengericht zunächst zu einer Verständigung bereit. Dies sei, so Richter Christian Calame, allerdings nur möglich, wenn der Angeklagte zumindest teilweise gestehe. Das kommt für den 66-Jährigen offenbar nicht in Frage: "Ich werde beweisen, dass ich unschuldig bin - und wenn ich kämpfe bis zuletzt", sagt er sichtlich aufgebracht.

Da nach dem ersten Verhandlungstag noch viele Fragen offen geblieben waren, hatte Richter Calame zur zweiten Sitzung den Sohn des Angeklagten, der ihn laut Aussage des Mannes einige Male zu den Treffen mit dem Ehepaar gefahren hat, deren Gegenstände er veruntreut haben soll, eingeladen. Zudem war auch der Antiquitätenhändler vom Tegernsee geladen, der die Gegenstände vor dem Angeklagten mehrere Jahre zu verkaufen versucht haben soll. Letzterer befindet sich allerdings momentan im Urlaub und war deshalb nicht erschienen.

Der Sohn indes erschien zwar zur Verhandlung, doch statt für mehr Klarheit zu sorgen, warf er weitere Fragen auf. So sagte der in München lebende Schausteller etwa, dass sein Vater dem Ehepaar 10 000 Euro in einem Umschlag ausgehändigt habe. Richter Calame erklärt ihm, dass die Frau bei der vergangenen Verhandlung "klipp und klar" gesagt habe, dass sie diese Summe nie erhalten habe. "Das heißt, einer von ihnen beiden lügt", hält Calame fest.

Nicht nur mit der Aussage der Geschädigten steht die Aussage des Sohnes allerdings im Widerspruch. Sie stimmt auch nicht ganz überein mit dem, was sein Vater ausgesagt hat: Dieser hatte nämlich versichert, dass er alle Gegenstände in die Tiefgarage des Ehepaares zurückgebracht habe, darunter allein 14 Gemälde. Das Ehepaar selbst sei zwar zu Hause gewesen, habe aber nicht aufgemacht, weshalb man schließlich alles einfach hingestellt habe. Der Sohn erinnert sich indes nur an ein paar Bilder, vielleicht zwei oder drei. Allerdings ist er sich sicher, dass unter den Bildern der Monet war, von dem auch die Frau aus Mühldorf sagt, sie habe ihn wiederbekommen und der deshalb nicht in der Anklageschrift aufgeführt ist.

Die Staatsanwältin weist darauf hin, dass die Version des Sohnes am ehesten mit dem übereinstimme, was auch der verstorbene Ehemann in einem Brief formuliert hatte, der dem Gericht vorliegt. Darin schreibt der Mann, dass er den Monet, sowie ein Bild, das ihm gar nicht gehöre, erhalten habe. Gleichzeitig bittet er den Angeklagten darum, auch die übrigen Gegenstände baldmöglich zurückzugeben. Der sichtlich aufgebrachte Odelzhausener indes sagt, sein Sohn habe einiges durcheinandergebracht und er versichert immer wieder eindringlich: Er habe alle aufgeführten Gegenstände zurückgebracht und nichts davon verkauft und auch kein Geld behalten. Vielmehr, so sagt er, habe er sich durch das Geschäft, von dem er sich anfangs viel versprochen habe, verschuldet, weil er die Expertise gefälschter Bilder aus eigener Tasche bezahlt habe.

Richter Calame und die Schöffen tun sich sichtlich schwer, dem Angeklagten in all seinen Ausführungen zu folgen. Vor allem als dieser plötzlich behauptet, dass der Grund, warum die Frau aus Mühldorf so sauer auf ihn sei, der sei, dass sie sich vor ihm entblößt habe und er sie zurückgewiesen habe, ist der Richter irritiert - darüber nämlich hatte der Angeklagte bei der ersten Sitzung kein Wort verloren.

Obwohl ihm Richter Calame mit Nachdruck erklärt, dass, sollte sich im Verlauf der weiteren Verhandlung herausstellen, dass der Angeklagte, anders als von ihm behauptet, doch etwas veruntreut habe, er ins Gefängnis kommen werde, zeigt dieser kein Interesse an einem Vergleich. Ein neuer Sitzungstermin wurde deshalb für den 19. November um 14 Uhr anberaumt. Dann sollen der Antiquitätenhändler vom Tegernsee sowie noch ein Händler aus München zu dem Fall gehört werden.

Zum Schluss bittet der Richter den Angeklagten noch, ihm alle Unterlagen, die möglicherweise noch herumliegen, vor der Sitzung zukommen zu lassen, "sonst machen wir immer so weiter". Außerdem warnt ihn der Richter: Den Antiquitätenhändler vor der Verhandlung zu kontaktieren und damit möglicherweise in seiner Aussage zu beeinflussen, sei absolut tabu.

© SZ vom 13.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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