Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Dachau:Kriminelle Schlamperei

Die schlechte interne Kommunikation des Dachauer Jobcenters befördert einen Techniker zu Unrecht auf die Anklagebank

Von Christiane Bracht, Dachau

Dass in einem Jobcenter gelegentlich etwas schief laufen kann, ist am Donnerstag vor dem Amtsgericht Dachau einmal mehr als deutlich geworden. Ein 47-jähriger Bautechniker musste sich dort wegen Betrugs verantworten. Er bezog von Dezember 2017 bis März 2018 Arbeitslosengeld II. Zu lange, monierte die Behörde. Mitte Februar hatte der Mann schon wieder einen Job, doch das zeigte er dem Jobcenter nicht an, so jedenfalls der Vorwurf der Sachbearbeiterin. Der Schaden lag laut Anklage bei 2212 Euro. Richter Tobias Bauer sprach den Mann jedoch am Ende frei.

"Eigentlich war ich schon seit November arbeitslos", bekannte der Angeklagte im Prozess. Sein alter Arbeitgeber habe ihm gekündigt, weil er einen Schlaganfall hatte. Doch im November sei es ihm so schlecht gegangen, dass er erst im Dezember zum Dachauer Jobcenter gegangen sei. Damals wohnte er noch in Markt Indersdorf. Sobald es ihm besser ging, bewarb er sich. Mitte Februar hatte er Glück: Eine befristete Stelle im öffentlichen Dienst als Leiter einer Abteilung musste neu besetzt werden. Der Bautechniker hatte zwar nicht die nötige Qualifizierung, wurde aber dennoch kurzfristig eingestellt. Überglücklich begann er am 12. Februar. "Es ging alles sehr schnell", erklärte er dem Richter. Erst drei Tage zuvor hatte er den Arbeitsvertrag bekommen. Es gab noch einige Unstimmigkeiten, vor allem wegen der Bezeichnung seines Jobs, und dann habe er sofort sehr viel zu tun gehabt, viele Überstunden geleistet, Untergebene gehabt und die Handwerkerleistungen managen müssen, denn die Vorbereitungen für einen 42 Millionen schweren Neubau hätten angestanden. Dennoch habe er beim Jobcenter angerufen und seine neue Arbeit gemeldet. Allerdings, räumte er ein, erst "ein paar Tage später".

Richter Bauer zog die Brauen hoch. "Der Anruf wurde hier nicht vermerkt. Das ist das Problem." Der Angeklagte schilderte, wie er in der Mittagszeit mit seinem Handy bei der Zentrale des Jobcenters angerufen habe. Er habe mit einem Mann gesprochen, an dessen Namen er sich aber nicht erinnere. Dieser versicherte ihm, dass er die Angelegenheit weitertragen werde. Der 47-Jährige würde ein Schreiben bekommen. Doch der Angeklagte hörte nichts mehr vom Jobcenter, erst wieder von Zoll und Gericht. Die Sachbearbeiterin vom Jobcenter sagte, sie habe den Bauleiter zweimal angeschrieben - ohne Reaktion. Vor Gericht stellte sich heraus: Die Briefe gingen an die falsche Adresse. Persönlich haben die beiden nie miteinander gesprochen. Das erledige alles die Zentrale, so die 43-Jährige. So ist die Organisation. "Ist es möglich, dass Anrufe nicht ordentlich protokolliert werden?", wollte Richter Bauer wissen. "Die Kollegen dort sind angehalten, alles richtig zu machen", sagte sie. Wer der Kollege im Servicecenter war, sei nicht mehr nachverfolgbar: "Es ist ein Callcenter. Dort arbeiten ganz viele." Der Bautechniker erzählte, dass er jedes Mal mit einem anderen gesprochen habe und alles von Neuem schildern musste. "Es wäre wünschenswert, wenn beim Jobcenter alles reibungslos laufen würde", sagte Bauer und erinnerte sich an einen früheren Fall, bei dem eine E-Mail beim Abspeichern verloren gegangen war. - "Ich habe lange gekämpft, um in den öffentlichen Dienst zu kommen. Für 2000 Euro würde ich mir den Weg nicht verbauen", versicherte der 47-Jährige. Der Richter glaubte ihm. Die späte Meldung sei irrelevant, da das Geld bereits ausgezahlt war, so Bauer. Es lag keine Täuschung vor.

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SZ vom 06.09.2019
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