Man muss die Bilder und Videos nicht sehen, die die Staatsanwältin beim Vorlesen der Anklageschrift beschreibt, um erahnen können, dass den Kindern, die darauf zu sehen sind, Grauenvolles widerfahren ist: Explizit beschreibt sie die drastischen Aufnahmen sexualisierter Gewalt an den missbrauchten Kindern und spart dabei auch nicht an schockierenden Details. Es sind, daran kann kein Zweifel bleiben, schreckliche Bilder, vor allem aber sind es nur einige wenige von unendlich vielen, die im Netz und einschlägigen Chatgruppen kursieren. Ihnen allen gemein ist: Es handelt sich um Kinderpornografie der schlimmsten Sorte.
Ebensolche Dateien hat man auch auf Handys eines 30-jährigen Dachauers gefunden. Vor dem Amtsgericht musste er sich nun dafür verantworten. Und am Ende, das muss man so sagen, hat er sogar noch Glück: Zu dem Zeitpunkt, zu dem er Mitglied einer einschlägigen Kinderporno-Chatgruppe gewesen ist und sich die Bilder und Videos angesehen und heruntergeladen hat - vor gut vier Jahren - lag der Strafrahmen noch zwischen einer Geldstrafe und einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Seitdem wurde das Strafmaß erheblich verschärft, heute müsste er mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechnen. Richter Christian Calame verurteilte ihn zu sechs Monaten ausgesetzt auf drei Jahre auf Bewährung. Außerdem muss er an das Münchner Kinderhospiz 1800 Euro überweisen. "Damit Sie auch spüren, dass Sie da etwas Krasses gemacht haben", so Calame.
"Mir persönlich hat da der moralische Kompass gefehlt"
Grund für diese vergleichsweise milde Strafe ist allerdings auch, dass der Dachauer, ein gelernter Kfz-Mechatroniker, der mittlerweile für eine Firma einer anderen Branche tätig ist, geständig ist. Über seinen Verteidiger ließ der Angeklagte mitteilen, er habe die Dateien in einer "wilden Phase" seines Lebens besessen, auf seinem Handy abgelegt und dann vergessen, der Angeklagte selbst spricht von "Datenmüll". Mittlerweile habe er selbst zwei kleine Kinder - ein Jahr und ein halbes Jahr alt - und schäme sich dafür, in diesen Chatgruppen verkehrt zu haben. Später führt der Angeklagte noch selbst aus, dass er sich damals in einer Phase seines Lebens befunden habe, "wo ich quasi stillstand". Er sei gelangweilt gewesen und habe sich zunächst mit lustigen Videos unterhalten, später sei er dann zu gewaltverherrlichenden Videos übergangen und irgendwann dann in die Kinderporno-Gruppe eingeladen worden. "Mit der Zeit bin ich abgestumpft", versucht der 30-Jährige seine Tat zu erklären. "Mir persönlich hat da der moralische Kompass gefehlt."

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Auf die Nachfrage des Richters, was seine Frau denn zu der ganzen Sache sage, erklärte der Angeklagte: "Sie steht hinter mir." Im Vorfeld der Verhandlung sei er mit ihr auch beim Jugendamt gewesen, ebenso wie einer psychotherapeutische Fachambulanz für Gewalt- und Sexualstraftäter. Richter Calame, fragt, warum er dort vorstellig geworden sei, wenn er doch für sich beanspruche, kein Sexualstraftäter zu sein. Später macht der Richter selbst ein weiteres Gespräch dort zur Bewährungsauflage, um zu klären, ob wirklich keine Gefahr für weitere Taten bestehe.
Die Staatsanwaltschaft wertete es zu Gunsten des Angeklagten, dass dieser geständig gewesen ist und bislang keine Vorstrafen hat, die Sozialprognose sei günstig. Ihm zu Lasten gelegt werden müsse allerdings, dass es sich um eine große Menge an Bildern handle, die auf seinem Handy sichergestellt worden seien, schwer wiege außerdem, wie jung die Kinder seien, die darauf zu sehen gewesen waren. Sie forderte deshalb eine Strafe von zwölf Monaten auf Bewährung.
Auch der Verteidiger des Angeklagten betonte, dass es sich nicht etwa um eine "Bagatelle" handle. Allerdings müsse man berücksichtigen, dass die Tat schon mehrere Jahre zurückliege und der Dachauer sein Leben zwischenzeitlich wieder auf die Reihe bekommen habe. Er halte deshalb eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 600 Euro für angemessen. Der Dachauer, der als Angeklagter das letzte Wort hatte, beteuerte abschließend noch einmal, dass der Gedanke, dass seinen Kindern etwas ähnliches wie auf den Bildern angetan werden könnte, aus heutiger Sicht für ihn "unerträglich" sei. Es sei "absolut surreal", dass er sich die Bilder damals habe angucken können, ohne sich etwas dabei zu denken. "Dafür schäme ich mich eigentlich am meisten."
In seinem abschließenden Urteil betonte Richter Christian Calame noch einmal, dass jeder, der solche Bilder teile oder auch nur anschaue, eine "kriminelle Industrie" fördere. "Das muss man sich einfach vor Augen führen." Vor allem aufgrund der Intensität der vorgefundenen Bilder kam für ihn eine Geldstrafe deshalb auch nicht mehr in Betracht - unabhängig davon, wie sie auf dem Handy des Angeklagten gelandet sind und zu welchem Zweck er sie heruntergeladen hatte.