Amtsgericht Dachau:Hohe Bewährungsstrafe für Schläger

Vier Jugendliche prügelten brutal auf einen Passanten ein. Noch anderthalb Jahre danach hat das Opfer mit den Folgen zu kämpfen, aber die Täter müssen vorerst nicht in Haft.

Matthias Pöls

Der finale Tritt befördert das am Boden liegende Opfer in die Bewusstlosigkeit. Blutüberströmt liegt der heute 25-Jährige an den Fahrradständern hinter dem Dachauer Bahnhof. Am 4. Juli 2010 prügeln und treten vier junge Männer auf ihn ein. Irgendwann kann er sich nicht mehr wehren, schafft es nicht einmal mehr schützend die Hände vor den Kopf zu heben. Die Folgen der schweren Verletzungen spürt das Opfer noch immer.

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Ein 18-Jähriger gerät in kriminelle Kreise und wird selbst straffällig.

(Foto: dpa)

Dem Dachauer Amtsgericht sind die Täter nicht unbekannt. Alle haben bereits ein längeres Strafregister. Richterin Petra Nolte verurteilt die vier jungen Männer, die zwischen 19 bis 22 Jahren alt sind, jeweils zu Bewährungsstrafen mit einer Menge Auflagen.

Wir haben uns schon gegen Mittag getroffen und angefangen zu trinken", sagt der 20-jährige Angeklagte aus. Bis zur Tat um kurz nach Mitternacht habe er bestimmt 20 bis 25 Bier getrunken - mehr als die anderen.

Gemeinsam hatten sich die vier im Juli 2010 ein WM-Spiel in München angesehen. Zurück am Dachauer Bahnhof, kurz nach Mitternacht, trafen sie auf einen Passanten. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung. Ein 22-jähriger Täter behauptet, das spätere Opfer habe seine Freundin unsittlich angefasst. Mehrere Zeugen bestätigen, dass es Schreie gab. Gesehen hat es keiner.

Es hat eine kleine Auseinandersetzung im Vorbeigehen gegeben", erzählt das Opfer. Aber ein Mädchen - Nein. Dann haben ihn die vier abgefangen. "Einer zog mich an den Haaren runter." Mit Fäusten und Schuhen prügeln sie auf ihn ein. "Ich war wohl kurz weggetreten", erklärt das Opfer. Das nächste woran er sich erinnert, sind die Polizei und der Rettungswagen. Die Sanitäter hatten, laut später ausgestelltem ärztlichen Gutachten, einiges zu versorgen: eine gebrochene Nase, geschwollene Augen, eine Kieferfraktur und Prellungen am ganzen Körper. Noch heute kann das Opfer nicht richtig durch die Nase atmen. "Die rechte obere Zahnreihe ist immer noch etwas taub." Und für einige Zeit traute er sich danach kaum noch aus dem Haus.

Bis zur Verhandlung hatte sich kein Täter beim ihm entschuldigt. "Wir haben dir durch unsere Dummheit das Leben kaputt gemacht," sagen alle Angeklagten nun vor Gericht. Ganz so schlimm ist es nicht, "aber der Sommer war im Arsch", entgegnet das Opfer.

Zwei Kontrolleure der Bahn hatten alles beobachtet: Alle vier sind auf den Mann losgegangen. Als sich drei schon abwandten, ging der 20-Jährige noch einmal auf das Opfer los und trat mit voller Wucht gegen dessen Kopf. "Das hat richtig gescheppert, man hat gemeint der Kopf zerspringt."

Diese Tat legt die Staatsanwaltschaft als bedingte Tötung aus und fordert eine hohe Haftstrafe ohne Bewährung. "Es ist der mit Abstand brutalste Tatbeitrag - einem am Boden liegenden mit dem Fuß ins Gesicht zu treten, so dass dieser ohnmächtig wird." Weil der 20-Jährige nur einmal trat, sei es nur ein bedingter Tötungsvorsatz und noch keine versuchte Tötung, so der Staatsanwalt.

Dem folgt das Schöffengericht allerdings nicht. Es beurteilt auch das nur als gefährliche Körperverletzung. Alle vier Täter gestanden. Das psychologische Gutachten der Jugendgerichtshilfe bescheinigt ihnen eine positive Aussicht für die Zukunft. Trotz schwieriger Kindheit befänden sie sich auf dem Weg zu einem geregeltem Alltag. Zwei wollen einen Alkoholentzug machen, ein anderer geht zur Drogentherapie. Der vierte habe gar nur aus gruppendynamischen Gründen mitgemacht. "Ganz verroht sind sie nicht", sagt ein Verteidiger.

Die Haftstrafen betragen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren mit einer Bewährungszeit von bis zu drei Jahren. Außerdem müssen die Täter Sozialstunden leisten, Geldstrafen zahlen und Therapien absolvieren. Sollten sie innerhalb der Bewährungszeit gegen eine Auflage verstoßen, müssen sie in Haft.

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