Amtsgericht Dachau:Hausverbot und Pfefferspray

Die Jugendlichen wollten im verrauchten Zelt am Indersdorfer Volksfest lüften - ein Ordner versuchte, das zu verhindern. Die Situation eskaliert. Nun musste sich der Mann vor Gericht verantworten.

Daniela Gorgs

Der Geschäftsführer des Sicherheitsdienstes ist sich keiner Schuld bewusst. Er habe nur versucht, eine Maßkrugschlägerei zu verhindern. Weil die Situation im vollen Bierzelt eskaliert sei, habe er ein Pfefferspray gegen einen "renitenten Störenfried" eingesetzt. Der 47-Jährige muss sich nun vor dem Amtsgericht Dachau verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm gefährliche Körperverletzung vor.

Amtsgericht Dachau: Am Indersdorfer Volksfest ging ein Ordner zu hart gegen Jugendliche vor und wird zu einer Geldstrafe verurteilt. (Archivbild)

Am Indersdorfer Volksfest ging ein Ordner zu hart gegen Jugendliche vor und wird zu einer Geldstrafe verurteilt. (Archivbild)

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Bier floss in Strömen. 4000 Besucher feierten am 12. Mai diesen Jahres im Indersdorfer Festzelt. Die Luft war stickig. Damals durfte drinnen noch geraucht werden. Eine Gruppe von Jugendlichen, die in einer Box am Zeltrand saß, versuchte, Abhilfe zu schaffen. Die Jugendlichen schoben die Zeltplanen auseinander und ließen frische Luft hinein.

Dies missfiel dem 47-Jährigen, der als Ordner draußen seinen Dienst tat - und gegen die jungen Festgäste arbeitete. Mit Kabelbindern verschloss er die Öffnungen wieder. Vor Gericht rechtfertigt er sich: Das Zelt sei wegen Überfüllung geschlossen gewesen, als er beobachtet habe, dass sich durch die "zerschnittenen" Zeltwände Gäste hineingedrängt hätten. Zudem sei Alkohol durch die Lücken eingeschmuggelt worden. Als vorrangige Aufgabe des Sicherheitsdienstes sieht er die Einhaltung des Jugendschutzes. Also machte er sich auf den Weg nach innen, um die Störenfriede zur Rede zu stellen. Die Situation in der voll besetzten Box eskalierte. Der Ordner erteilte den Jugendlichen Hausverbot, die Jugendlichen blieben. Da packte der 47-Jährige den Biertisch und hob ihn mit einem Ruck an, so dass die Maßkrüge nach hinten herunterrutschten. Als der Ordner einen Bierkrug auf einen seiner Kollegen zufliegen sah, griff er zum Pfefferspray.

Elf Zeugen sind geladen. Der "Störenfried" beginnt. Der 21-Jährige war mit seinen Geschwistern und Freunden auf dem Volksfest und beschreibt, wie schlecht die Luft im Zelt gewesen sei. Plötzlich sei der Ordner in die Box gekommen und habe die Gruppe gebeten, zu gehen. Der 21-Jährige habe sich nach den Gründen erkundigt, aber keine Antwort erhalten. Dann seien der Tisch und die Maßkrüge geflogen, wobei eine Freundin an der Hand verletzt worden sein soll. Minuten später sei er selbst mit dem Pfefferspray attackiert worden. Die folgenden Zeugen bestätigen dies. Die Jugendlichen zwischen 16 und 21 Jahren sprechen von einer völlig überzogenen Reaktion des Ordners. "Wir wollten doch nur lüften, ganz normal feiern." Es habe eine "heftige, hitzige Diskussion" gegeben, einen Maßkrug sahen sie allerdings nicht fliegen. Ein Kollege des Angeklagten, der per Funk über den Tumult in der Box informiert worden und zur Hilfe geeilt war, sagt vor Gericht, er habe aus dem Augenwinkel beobachtet, wie einer der Jugendlichen einen Maßkrug wurfbereit in der Hand hielt.

Der Angeklagte verteidigt sich: Er habe die Jugendlichen der Hinterlandgang zugeordnet und entsprechend hart durchgegriffen, als sein Hausverbot auf taube Ohren stieß. Sein viel zu kleines Team habe alle Hände voll zu tun gehabt. Zwölf Ordner für 4000 Festgäste - das sei von Beginn an zu wenig gewesen. Der 47-Jährige vermutet, dass der Veranstalter nicht mehr Geld in die Sicherheit investieren wollte. Als die Situation eskalierte, habe er zum Pfefferspray gegriffen. "Ich wusste mir nicht mehr zu helfen."

Der Staatsanwalt sieht wohl ein, dass das Team unterbesetzt und die Belastung in der Situation groß gewesen sei. Doch sagt er, es gehöre zum Berufsrisiko eines Security-Mitarbeiters, dass es zu Provokationen kommen kann. Man dürfe sich eben nicht provozieren lassen. Dass er eine Maßkrugschlägerei verhindern wollte, sei eine reine Schutzbehauptung gewesen. Vorsitzende Richterin Petra Nolte schließt sich der Argumentation an und verurteilt den Angeklagten, der bereits neun, zum Teil einschlägige Vorstrafen hat, wegen vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 15 Euro. Für das harte Durchgreifen habe es keine Rechtfertigung gegeben. Auch klärte sie den 47-Jährigen auf, dass sich die Hinterlandgang Ende 2009 aufgelöst habe. Der Angeklagte habe Pech gehabt, dass zu wenig Securitys eingesetzt worden waren.

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