Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Dachau:Handfeste Auseinandersetzung

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Nach dem Siedlerfest geraten zwei Männer in Streit. Der eine bedroht den anderen mit einem Radkreuz. Der wehrt sich mit seinem Pfefferspray - und wird vom Amtsgericht freigesprochen.

Anna Schultes

Alles beginnt mit einem Jungenstreich. Vier Freunde zwischen 18 und 22 Jahren klingeln an fremden Haustüren und rennen weg. Es ist kurz vor Mitternacht, sie sind auf dem Heimweg vom Karlsfelder Siedlerfest. Die Freunde haben ein paar Maß getrunken und sind guter Laune.

Ein ebenfalls angetrunkener Mann, der die Aktion beobachtet, schreit ihnen hinterher. Einer der Freunde, ein 22-Jähriger, fühlt sich provoziert, es kommt zu einer Auseinandersetzung. Der Beobachter schlägt zu und droht ihm mit einem Radkreuz, der 22-Jährige greift zum Pfefferspray - und landet vor dem Amtsgericht.

Gefährliche Körperverletzung wirft ihm die Staatsanwältin vor. Der 22-Jährige und sein Widersacher hatten sich zunächst wüst beschimpft. Dann lief der Widersacher zu seinem Auto, das er auf der anderen Straßenseite geparkt hatte, und kehrte mit einem Radkreuz zurück.

Drohend hielt er das Radkreuz mit einer Hand hoch und schlug ihm mit der anderen, flachen Hand ins Gesicht. Spontan sprühte der 22-Jährige dem Angreifer Pfefferspray ins Gesicht. Seine drei Freunde riefen die Polizei.

Am vergangenen Montag sagen die drei als Zeugen vor Gericht aus. Ihr Freund sitzt auf der Anklagebank. Die drei Zeugen schildern den Vorfall gleich. "Aus jugendlichem Leichtsinn", wie einer von ihnen sagt, hätten sie einen Klingelstreich gemacht.

Die einzige Ungereimtheit: Der Angeklagte sagt, dass das Opfer zwischen der Ohrfeige und seinem Sprühen noch einmal zu seinem Auto gegangen sei, um das Radkreuz erst zu diesem Zeitpunkt zu holen. Die Erinnerung der Zeugen sieht anders aus. Alle drei sagen, dass der Angeklagte körperlich angegriffen und gleichzeitig mit erhobenem Radkreuz bedroht wurde.

Der Vorsitzende Richter Lukas Neubeck schiebt den Widerspruch auf den Alkoholgenuss des Angeklagten. Mit 1,6 Promille hatte er mehr Alkohol im Blut als die anderen. Der vierte Zeuge, das Opfer des Pfeffersprayangriffs, erscheint nicht und erhält ein Ordnungsgeld in Höhe von 100 Euro. Bei einer vorausgegangen Verhandlung war er bereits wegen der Ohrfeige verurteilt worden. Außerdem war er nach dem Angriff noch in sein Auto gestiegen - betrunken. Provokant fuhr er am besagten Abend mehrmals auf den Angeklagten und seine Freunde zu, wie die Zeugen berichten.

Auf Richter Neubecks Frage, warum der 22-Jährige ein Pfefferspray dabei gehabt habe, antwortet dieser: "Wenn ich im Sommer draußen Sport treibe, nehme ich es mit, um mich vor einem eventuellen Angriff zu schützen. Außerdem habe ich Angst vor Hunden." Der Richter wirkt skeptisch, das hört er wohl zum ersten Mal.

Vor dem Vorfall nach dem Siedlerfest habe der Angeklagte das Spray aber noch nie eingesetzt. Auch im Bundeszentralregister hat er keinen Eintrag. Die Einschätzung der Staatsanwaltschaft ist eindeutig: Das gehobene Radkreuz ist ganz klar ein Angriff, der nicht zu vertreten ist. Der 22-Jährige habe das Spray aus Notwehr eingesetzt. Die Staatsanwältin fordert einen Freispruch. Dem schließt sich Richter Neubeck an.

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Quelle:
SZ vom 08.12.2010
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