Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Dachau:Gefährlicher Angriff auf den Schwiegervater

25-Jähriger muss ins Gefängnis, weil er mit seinem Wagen mutwillig gegen den Traktor eines 72-Jährigen raste

Von thomas radlmaier, Dachau

Als der Familienstreit an einem Wintertag eskaliert, sitzt der Schwiegervater im Führerhaus seines Traktors. Er will damit den Anhänger wegschleppen, den sein Schwiegersohn auf dem Hof abgestellt hat. Diesem passt das gar nicht. Als er mitkriegt, was sein Schwiegervater vorhat, setzt er sich in seinen BMW, beschleunigt und rast auf den Bulldog zu. Das Auto prallt mit einer Geschwindigkeit von mindestens 16 Kilometer pro Stunde in den Traktor, der 4,6 Tonnen schwer ist. Es ist, als würde der BMW gegen eine Wand klatschen. Der Schwiegersohn ist nicht angeschnallt. Er kracht mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe, der Schwiegervater verletzt sich am Halswirbel.

Mehr als eineinhalb Jahre später sitzen sich beide im Amtsgericht Dachau gegenüber. Der Schwiegersohn, 25, ist angeklagt unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Schwiegervater, 72, sagt als Zeuge aus. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft soll der 25-jährige gelernte Landwirt nicht nur halsbrecherisch mit dem Auto in den Traktor gefahren, sondern anschließend ins Führerhaus gestiegen sein und versucht haben, auf seinen Schwiegervater einzuschlagen. "Ich bring dich um und fackel deinen Hof ab", soll er geschrien haben.

Vor einigen Jahren zog der Angeklagte zu seiner Frau auf den Hof ihrer Familie in Bergkirchen. Mit dem Vater gab es immer wieder Streit, zuletzt weil dieser etwas dagegen hatte, dass sein Schwiegersohn einen Anhänger voller Brennholz auf dem Hof abstellt. "Taugenichts, Arschloch, bist eh nichts Gescheites", derlei Beleidigungen habe er sich vom Vater seiner Frau anhören müssen, so der Angeklagte, der inzwischen mit seiner Frau umgezogen und hoch verschuldet ist. Er habe mit seinem Auto den Traktor nur blockieren wollen, um zu verhindern, dass der Anhänger wegkomme. Auf dem Hof sei es "rutschig" und "matschig" gewesen. "Ich bin mit dem Auto reingerutscht, es war keine Absicht."

Das Gericht kreiste um die Frage, wie groß die Gefährdung für den 72-jährigen Schwiegervater sowie einen 52-Jährigen war, der dem Hofbesitzer helfen wollte, den Anhänger wegzubringen. Als der BMW in den Traktor fuhr, hatte der 52-Jährige gerade den Anhänger an die Kupplung gehängt. Vor Gericht gibt er an, dass er zum Glück noch rechtzeitig zur Seite springen konnte. Andernfalls hätte ihn der Traktor, den es um einen halben Meter verschob, mit dem Rad erdrücken können. Der 52-Jährige hatte den Angeklagten vom Führerhaus gezogen, als dieser versuchte, seinen Schwiegervater zu schlagen.

Ein Gutachter hat für das Gericht den Zusammenstoß rekonstruiert. Das Ergebnis widerspricht der Darstellung des 25-Jährigen, dass er versehentlich mit dem Auto in den Bulldog gefahren sei. Es fehlen zum Beispiel Bremsspuren. Laut dem Sachverständigen muss der Angeklagte den BMW auf mindestens 16 Kilometer pro Stunde beschleunigt haben, die Entfernung zum Traktor betrug elf Meter. Der Bulldog wurde durch den Aufprall auf mindestens sechs Kilometer pro Stunde beschleunigt und verrutschte um einen halben Meter. Da der Traktor keine Kopfstütze habe, wolle er nicht ausschließen, dass sich der 72-Jährige schwerer am Wirbel verletzen hätte können, so der Gutachter.

Richter Lukas Neubeck verurteilte den Angeklagten unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten. Der Angeklagte wurde in den vergangenen Jahren mehrfach verurteilt etwa wegen Körperverletzung, Beleidigung, Nötigung, Wuchers, Diebstahls und Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Bei der Attacke auf den Schwiegervater vor zwei Jahren stand er unter zweifacher Bewährung. "Das ist ganz schlimm zu sehen", so Neubeck. Der Angeklagte hätte wissen müssen, dass er sich anständig verhalten müsse. Der 25-Jährige muss auch seinen Führerschein für zehn Monate abgeben. Der Angeklagte sei "absolut ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen", so Richter Neubeck.

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Quelle:
SZ vom 12.07.2019
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