Amtsgericht Dachau:Fatale Prognose

Ein 24-jähriger Mann begeht eine Straftat nach der anderen. Jetzt muss er ins Gefängnis

Von Benjamin Emonts, Dachau

Ein Anwalt versucht gewöhnlich, ein möglichst positives Bild seines Mandanten vor Gericht zu zeichnen. Gerade wenn es darum geht, ob der Angeklagte noch eine Bewährungschance erhält oder nicht, stellt der Anwalt eine möglichst günstige Sozialprognose aus, wie es im Fachjargon heißt. Im Fall jedoch, der am Montag vor dem Dachauer Amtsgericht verhandelt wurde, sah sich selbst der Anwalt des 24-jährigen Angeklagten dazu nicht imstande. "Er hat sein Leben überhaupt nicht im Griff und bekommt von vorne bis hinten nichts gebacken", sagte der Anwalt. "Ich glaube, er braucht Hilfe."

Auch Amtsrichter Lukas Neubeck stimmte der minutenlangen Analyse über die Persönlichkeit des Angeklagten zu: "Sie kriegen es einfach nicht gebacken. Ihr ganzes Leben nicht." Schließlich aber musste der Vorsitzende dem Verteidiger im entscheidenden Punkt doch widersprechen: Eine erneute Bewährungsstrafe, wie sie der Anwalt forderte, kam für Neubeck überhaupt nicht infrage. Stattdessen verurteilte er den 24-Jährigen wegen falscher eidesstattlicher Aussage und Betruges in vier Fällen zu einer Haftstrafe von acht Monaten.

Der Angeklagte machte alles falsch, was man falsch machen kann

Glaubt man dem Richter, machte der 24-Jährige so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann. Er arbeitete kaum, ignorierte Mahnungen, zahlte keine Strafen, verrichtete keine Sozialstunden und pfiff auf seine Bewährungsauflagen.

Vom Amtsgericht Nürnberg war er nämlich bereits wegen Betruges zu vier Monaten Freiheitsstrafe auf drei Jahre Bewährung verurteilt worden. Anstatt darauf hin sauber zu bleiben, machte der 24-Jährige munter weiter. In Augsburg wurde er ohne Führerschein beim Fahren eines Autos erwischt - 3000 Euro Geldstrafe. Bei einem Gerichtsvollzieher gab er fälschlicherweise an, monatlich ein Gehalt in Höhe von 1200 Euro netto zu beziehen - falsche eidesstattliche Versicherung. Letztere erwies sich sogar in doppelter Hinsicht als widersinnig. Zum einen, weil der Gerichtsvollzieher folglich davon ausgehen musste, dass bei dem chronisch geldlosen Mann was zu holen sei. Zum andern, weil sich der 24-Jährige mit seiner Lüge der falschen Versicherung an Eides Statt schuldig machte. Schließlich gesellten sich auch noch vier Betrugsfälle dazu, die der 24-Jährige im Jahr 2015 begangen haben soll und nun auch gestand. Für insgesamt 710 Euro veräußerte er über Internet-Seiten wie Ebay Smartphones, die er gar nicht besaß. Dazu stellte er Bilder der Mobiltelefone ins Internet und verkaufte sie anschließend zu Spottpreisen. Die Käufer, die das Geld vorab auf das Konto des Angeklagten überwiesen hatten, warten bis heute auf die Auslieferung der Ware.

"Das Gefängnis hilft ihm auch nicht weiter"

Vor Gericht präsentierte sich der 24-Jährige zu allem Überfluss äußerst "wortkarg", wie Amtsrichter Neubeck bemängelte. In Halbsätzen berichtete der 24-Jährige von seinen finanziellen Schwierigkeiten. Um Geld zu verdienen, arbeite er hin und wieder für Zeitarbeitsfirmen. Aktuell lebe er mit seiner 18-jährigen Freundin in einem Zimmer bei deren Eltern. Er wolle eine Ausbildung zum Maler oder Lackierer machen. Das einzige Argument, das seinem Anwalt für eine letzte Bewährungschance blieb: "Das Gefängnis hilft ihm auch nicht weiter." Amtsrichter Lukas Neubeck aber blieb keine andere Wahl, wie er betonte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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