Amtsgericht Dachau:Den Mitschüler in den Tod gefahren

Auf der Autobahn löste sich die Lauffläche des 16 Jahre alten Hinterreifens ab - mit tödlichen Folgen. Ein Vater und sein Sohn mussten vor Gericht dafür geradestehen.

Walter Gierlich

- Einen Fahrfehler hat der damals 23-jährige Münchner nicht gemacht, und sein Vater, auf den das Unfallauto zugelassen war, schon gar nicht: Dennoch verurteilte Richter Lars Hohlstein am Montag beide wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu empfindlichen Geldstrafen. Beide hätten ihre Sorgfaltspflicht verletzt: Der Sohn, weil er das Auto in nicht verkehrssicherem Zustand gefahren habe. Der Vater, weil er sich angeblich zwar um den Zustand des Wagens gekümmert, ihn aber nicht fachmännisch habe warten lassen. In jeder Werkstatt hätte man einen Austausch der Reifen empfohlen, die bis zu 16 Jahre alt waren, obwohl sie nach dem Gesetz noch zulässig waren, da sie genug Profil hatten, meinte der Richter.

Der heute 24 Jahre alte Münchner war am 2. Dezember vergangenen Jahres mit drei weiteren Insassen im Wagen auf dem Rückweg von Nördlingen nach München. Die vier jungen Männer lernten den Beruf des Isolierers und mussten im Blockunterricht wochenweise die Berufsschule in Nördlingen besuchen. Es war Freitagnachmittag gegen 13.45 Uhr, als sich zwischen Odelzhausen und Sulzemoos bei einer Geschwindigkeit von 140 bis 160 Stundenkilometer die Lauffläche des linken Hinterreifens ablöste, der Wagen erst links die Trennwand touchierte, dann nach rechts ausbrach und von der Fahrbahn abkam, sich mehrmals überschlug und nach rund 60 Metern auf dem Dach liegen blieb. Die vier jungen Männer im Auto wurden verletzt, ein 20-Jähriger so schwer, dass er wenig später in einer Münchner Klinik starb. Der Unfallfahrer leidet bis heute an den Folgen der Blessuren und musste seine Ausbildung abbrechen. Die beiden anderen kamen glimpflicher davon.

Die Anklage machte den 24-jährigen Münchner und seinen Vater verantwortlich, durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen und die Verletzungen der übrigen drei herbeigeführt zu haben. Sie hätten, der Sohn als Fahrer und der Vater als Halter, der sich nach Aussage seiner Frau stets um alle Fahrzeuge in der Familie gekümmert habe, merken müssen, dass der Wagen nicht verkehrssicher sei. Das Auto hatten die Eltern ihrem Sohn einst zum Geburtstag geschenkt. Auf den Vater sei es nur angemeldet, weil dann die Versicherung günstiger ausfalle. Laut Gutachter hätte man an dem Wagen beim Fahren Klopfgeräusche vom linken Hinterreifen hören müssen, der beschädigt gewesen sei. Auch seien die Bremsen nicht mehr in Ordnung gewesen.

Ungewöhnliche Geräusche hatte aber niemand gehört, auch keine merkwürdigen Vibrationen gespürt. Das sagten sowohl die Mutter wie die Tante des 24-Jährigen, die den Wagen bisweilen nutzten. Aber auch den beiden jungen Männern, die beim Unfall verletzt worden waren, war vorher während der Fahrt nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Beide sagten, sie hätten einen Knall gehört. "Der hat sich angehört wie ein Schuss, dann war das Auto nicht mehr unter Kontrolle", sagte der eine. Auch eine Zeugin, die hinter dem Wagen auf der Autobahn fuhr, sah ihn erst nach links, dann nach rechts ausbrechen, "dann hat er sich überschlagen und ist in der Wiese liegen geblieben".

"Für mich ist der Zustand der Reifen unfallursächlich", betonte der Gutachter, auch wenn die Verteidiger versuchten, mögliche andere Ursachen, etwa Hindernisse auf der Fahrbahn, ins Spiel zu bringen. "16 Jahre alte Reifen sind so hart, als wäre man ohne Profil unterwegs." Weiter erklärte er: "Wenn hinten ein Reifen platzt, sind Sie nur noch Passagier." Die Staatsanwältin sah die Anklage bestätigt. Sie forderte eine Geldstrafe von je 180 Tagessätze zu 23 Euro für den Sohn, zu 45 Euro für den Vater. Die beiden Verteidiger forderten Freispruch, weil der Nachweis einer persönlichen Verantwortung nicht erbracht worden sei. Richter Hohlstein verurteilte den Sohn zu 150 Tagessätzen à 23 Euro, den Vater zu 75 Tagessätzen von je 45 Euro.

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