Wer schon einmal durch die Unterführung am Dachauer Bahnhof gelaufen ist, dem ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch schon einmal ein Radfahrer, eine Radfahrerin entgegengekommen. Das ist zwar streng genommen verboten, viele hält das aber nicht davon ab, trotzdem durch den Tunnel zu radeln. Nur vom Sicherheitsdienst der Deutschen Bahn (DB) erwischen lassen sollte man sich dabei nicht, denn der ist dazu angehalten, das Hausrecht durchzusetzen und das besagt: Radfahren ist auf dem gesamten Gelände der DB untersagt.
In einem Fall, der sich im Juni 2023 ereignete, hat ein 57-Jähriger seinen Job offenbar ein bisschen zu ernst genommen: Eine Auseinandersetzung zwischen dem DB-Angestellten und einem Radfahrer eskaliert, letzterer wird leicht verletzt. Vor dem Dachauer Amtsgericht wurde das Verfahren wegen Körperverletzung gegen den Münchner zwar nun vorläufig eingestellt, allerdings muss er binnen vier Wochen 800 Euro an den Verein Brücke Dachau zahlen, damit die Entscheidung rechtskräftig wird.
Doch zunächst zu dem Vorwurf, gegen den der Angeklagte im Vorfeld Einspruch eingelegt hat: Am Nachmittag des 15. Juni 2023, soweit ist der Fall unstrittig, ist ein Mann mit dem Fahrrad von Osten kommend durch die Unterführung gefahren. Für dieses Vergehen hat er, so berichtet es Richter Stefan Lorenz, auch bereits eine Strafe erhalten. Vor dem Dachauer Amtsgericht geht es nun allerdings um die Frage, ob der angeklagte Sicherheitsbeamte gegenüber dem Radfahrer handgreiflich geworden ist, um das Hausrecht seines Arbeitgebers durchzusetzen und wenn ja, wie er auf die Idee kam, dazu befugt zu sein.
Der Angeklagte bestreitet nicht, handgreiflich geworden zu sein
Dass er den Radfahrer am Arm angefasst hat, das bestreitet der Angeklagte nicht, auch wenn er betont, er habe dies erst getan, nachdem der Mann sich trotz Anordnung zunächst geweigert habe, das DB-Gelände zu verlassen und stattdessen habe weiterfahren wollen. Erst daraufhin habe er, so der Münchner, unter Androhung „einfacher körperlicher Gewalt“ den Arm des Mannes gegriffen, ihn aber auch gleich wieder losgelassen, nachdem dieser über Schmerzen geklagt habe. Der Radfahrer habe danach das Gelände eigenständig verlassen, in die Richtung aus der er gekommen sei.

Der Umstand, dass der Sicherheitsbeamte den Radfahrer – das bestätigt auch ein Video einer Überwachungskamera - nicht in die Richtung hat gehen lassen, in die er ohnehin unterwegs war und über die er aus Sicht des ortskundigen Richters sowie der Polizei auch wesentlich schneller das Gelände hätte verlassen können, beschäftigt Richter Lorenz. Zudem beschäftigt ihn die Frage, warum der Münchner handgreiflich geworden ist. Denn entgegen der Aussage des Angeklagten habe er, so Richter Lorenz, eben nicht das Recht gehabt, ihn festzuhalten, geschweige denn, ihm den Arm umzudrehen und damit in seine „körperliche Unversehrtheit“ einzugreifen. Vielmehr wäre er in einem Fall, in dem sich eine Person seinen Anweisungen widersetzt, dazu gezwungen gewesen, die Polizei zu rufen.
Der Angeklagte, der laut eigenen Angaben bereits seit vier Jahren für die DB Sicherheit arbeitet, hingegen beharrt zunächst darauf, dass ihm das in jährlichen Schulungen so beigebracht worden sei. „Das ist für uns gang und gäbe.“ Als Richter Lorenz von ihm allerdings wissen will, wer ihm das beigebracht habe, antwortet der Angeklagte nur ausweichend.
„Ich werde mein ganzes Handeln jetzt überdenken“
Auf die Frage des Richters, warum er den Mann nicht in Richtung der Busse habe gehen lassen, sondern ihn zurückgeschickt habe, antwortet der Angeklagte, er sei davon ausgegangen, dass dieser Weg kürzer sei. Zum DB-Gelände gehöre nämlich nicht nur der Tunnel, sondern der ganze Bereich bis zum Busbahnhof. Eine Aussage, der Richter Lorenz augenscheinlich nur bedingt Glauben schenkt.
Als die Frage aufkommt, ob man das Verfahren nicht unter Auflage einer Geldstrafe einstellen könne, weil für einen Sicherheitsbeamten ein Eintrag im Strafregister problematisch sei, äußert Richter Lorenz sich deshalb zunächst zurückhaltend. Ihm fehlt es an der Einsicht des Angeklagten, sich falsch verhalten zu haben. Letztlich einigt man sich aber dennoch auf eine Einstellung des Verfahrens, sofern der Angeklagte 800 Euro an Brücke Dachau e.V. überweist. Doch auch wenn Richter Lorenz sagt, dass es sich eigentlich um eine Bagatelle gehandelt habe, die nur durch das Fehlverhalten beider Parteien eskaliert sei, so bläut er dem Angeklagten doch abschließend ein, dass dieser sich seiner Außenwirkung als Sicherheitsbeamter im Klaren sein müsse. Der wiederum verspricht: „Ich werde mein ganzes Handeln jetzt überdenken.“