Amtsgericht Dachau:Auf fremde Rechnung

Angestellte gibt sich für Betrüger pro forma als Firmeninhaberin her, bleibt auf den Schulden sitzen - und hält ihm sogar nach der Verurteilung noch die Treue.

Matthias Pöls

Weil er eine Rechnung von knapp 2000 Euro für Dünger etwas spät bezahlte, muss ein 55-Jähriger für ein Jahr hinter schwedische Gardinen? - Klingt hart - aber der Mann ist ein notorischer Betrüger. "Das geht schon seit vielen Jahren so", sagt Richter Lukas Neubeck am Montagmorgen: Wegen seiner hohen Schulden durfte er selbst keine eigene Firma mehr anmelden und suchte sich deshalb jemanden, der als Inhaber auftritt. In diesem Fall hatte die Inhaberin "überhaupt keine Ahnung, was in dem Betrieb läuft und bleibt jetzt nur auf den Schulden sitzen."

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(Foto: dpa)

Der Geschäftsführer eines Agrarhandels hatte Anfang 2011 Anzeige erstattet, als der Angeklagte die Rechnung nach einem dreiviertel Jahr des Vertröstens immer noch nicht beglichen hatte. Doch der Verteidiger betont eingangs, dass der 55-Jährige nicht als Geschäftsführer, sondern als Angestellter gehandelt habe.

Mein Eindruck war allerdings, dass er der Inhaber ist", sagt der Geschäftsführer. Er habe die Rechnung geschrieben, war der Ansprechpartner und gab eine Visitenkarte ab. Eine Visitenkarte, wie sie die Inhaberin der Firma für Reitplatzbau selbst gar nicht besitzt. Genauso wenig wie sie eine Ahnung hat, was in "ihrem" Unternehmen passiert.

Eigentlich ist die 50-Jährige hauptberuflich Angestellte bei einem Halbleiterhersteller und verdient in einer 40-Stunden-Woche ihren Lebensunterhalt. Denn mit der Firma verdient sie gar kein Geld - im Gegensatz zum Angeklagten: der bezieht darüber immerhin ein festes Gehalt. 2009 hatte die Frau den Betrieb von der Lebenspartnerin des Angeklagten übernommen, inklusive Schulden. Ein Konto, auf das der Fachmann für Reitböden uneingeschränkten Zugriff hatte, war bereits ein halbes Jahr zuvor eröffnet worden. Auf die Frage "Warum" konnte sie keine Antwort geben. Den 55-Jährigen kennt die Frau über den Reitsport bereits seit vielen Jahren.

Nach einem schleppenden ersten Jahr "lief es 2010 gut", sagt die 50-Jährige. Es wurde ein Umsatz von 250 000 Euro erwirtschaftet. Die offene Rechnung von 2000 Euro aus demselben Jahr hatte der Angeklagte trotzdem erst eine Woche vor dem Gerichtstermin beglichen, im Auftrag der Geschäftsführerin.

Doch selbst an diese Rechnung kann sich die 50-Jährige in der Verhandlung nur vage erinnern. Nach einigem Zögern sagt sie: "Wenn es an meine Adresse gekommen ist, wird es wohl so gewesen sein. Wahrscheinlich ist mir das durchgerutscht." Auch die Angestellten waren ihr nicht bekannt, die sie bezahlt. Denn als Richter Neubeck etwas über diese wissen will, fällt ihr nichts ein. Erst als die Namen der Lebensgefährtin des Angeklagten und Weiterer genannt werden, sagt sie: "Ach ja." - "Fühlen Sie sich nicht über den Tisch gezogen", fragt Richter Neubeck, sowohl geschäftlich, als auch bei der Aussage, die sie für den Angeklagten mache. "Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt" begründet die 50-Jährige - die Hoffnung auf eine bessere Auftragslage. Sie müsse weitermachen, um die Schulden zu begleichen.

Ich haben selten einen so eindeutigen Fall erlebt", sagt Richter Neubeck. Die Frage, ob die einjährige Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden könne, stelle sich angesichts der vielen Vorstrafen wegen Betruges und noch offener Bewährung überhaupt nicht. Zudem laufen noch zwei weitere Verfahren gegen den 55-Jährigen - natürlich wegen Betruges.

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