Amtsgericht Dachau:Armes Rindvieh

Bullenkälber in der Milchviehhaltung

Viehtransporte unterliegen gesetzlichen Auflagen.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Der Jungbulle kam krank zum Schlachthof: Landwirt und Fahrer des Transporters wurden deshalb wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz verurteilt. Sterben musst das junge Rind trotzdem

Von Robert Stocker, Dachau

Dass in einer Metzgerei kranke Tiere geschlachtet werden, kommt nach Auskunft des Dachauer Veterinäramts nicht so oft vor. Genau das sollte aber am 24. Juli 2014 mit einem verletzten Rind in einem Schlachthof im Landkreis passieren. Für einen Landwirt und den Mitarbeiter eines Viehhandelunternehmens hat das jetzt gravierende Folgen. Das Amtsgericht verurteilte die beiden bisher völlig unbescholtenen Männer wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Amtsrichter Christian Calame sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten wussten, dass der Jungbulle nicht mehr transportfähig war und bei der Fahrt zum Schlachthof massive Schmerzen erlitt.

"Im Nachhinein gesehen habe ich wohl einen Fehler gemacht", räumte der 47-jährige Landwirt in seinem Schlusswort ein. Sichtlich mitgenommen saß er auf der Anklagebank. "Ein Eintrag im Strafregister würde mich stark belasten." Das Verfahren drehte sich um die Frage, ob der Landwirt und der Fahrer das Rind zum Schlachthof brachten, obwohl sie wussten, dass der acht Kilometer lange Transport dem Tier massive Schmerzen zufügen würde. Für den Staatsanwalt war das völlig klar: "Das Rind war seit Wochen ernsthaft krank und litt erheblich unter dem Transport. Das wussten auch die Angeklagten." Der Tierarzt, der die Lebendbeschau am Schlachthof vornahm, diagnostizierte eine hochgradige Stützbeinlahmheit und einen Muskelschwund am hinteren linken Bein des Bullen. "Das Tier konnte nicht mehr auf vier Beinen laufen, es konnte das Bein hinten links nicht mehr belasten", sagte der Tierarzt als Zeuge aus. Der Veterinär war sich auch sicher, dass das Rind beim Transport Schmerzen erlitt. "Es musste in den Kurven auch das kranke Bein belasten."

Um zu klären, ob das kranke Rind geschlachtet werden darf, schaltete der Tierarzt das Veterinäramt ein. Ein Amtstierarzt begutachtete das Rind, das bis zu diesem Zeitpunkt drei Stunden lang auf dem Betonboden vor dem Schlachthof stand. "Das Tier war hinten links hochgradig lahm, die Hüfte abgekippt, der Muskel am hinteren linken Bein zurückgebildet", sagte der Amtstierarzt vor Gericht. Das lange Stehen könne die Krankheitssymptome verschärfen, sei aber nicht die Ursache für den Zustand des Rindes gewesen. "Das Tier war mindestens zehn Tage lang krank und konnte nicht auf allen Vieren auf den Transportwagen laufen". Das Veterinäramt ordnete an, den Jungbullen nicht zu schlachten, sondern einzuschläfern. Wie der pathologische Befund ergab, war der Kopf des Oberschenkelknochens abgerissen.

"Ich kann nicht in das Tier hineinschauen", sagte der Landwirt vor Gericht. Nach seinen Worten hatte sich der junge Bulle etwa zwei Wochen vor dem Transport im Laufstall verletzt und humpelte deutlich. Daraufhin brachte er das Tier in einer Einzelbox unter, in der der Boden mit Stroh ausgelegt war. "Ich wollte den Bullen wieder hochpäppeln. Junge Tiere können sich schnell erholen." Weil der Zustand des Rindes nicht besser wurde, entschied sich der Landwirt für eine Schlachtung. Auch der Fahrer des Viehhandelunternehmens war der Ansicht, dass das Tier transportfähig war. "Ich mache den Job jetzt 30 Jahre, habe einen Sachkundenachweis und mache Schulungen", sagte der Angeklagte vor Gericht. Er begutachtete den Bullen und stellte hinten links eine "leichte Verletzung" fest. "Er ging aber auf allen vier Beinen auf den Wagen hoch. Das war in zwei Minuten erledigt." Für ihn sei das Tier transportfähig gewesen. Diese Sicht bestätigte auch sein Chef, der ein Schwager des Fahrers ist. "Der Bulle lief in der Strohbox auf allen vier Beinen, er ist aufgestanden und rumgelaufen." Weil er aber humpelte, sei er zur Schlachtung abgeholt worden.

"Mit dieser Einlassung sind Sie haarscharf an einem Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage vorbeigeschrammt", warnte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Der Amtstierarzt habe eindeutig erklärt, dass der Bulle nicht mehr auf allen vier Beinen laufen konnte. Die Transportunfähigkeit hätten auch die sachkundigen Angeklagten erkennen müssen. Der Staatsanwalt forderte für den Landwirt eine Geldstrafe von 7200 Euro, für den Fahrer 3600 Euro. Die Verteidiger sahen die Einlassungen ihrer Mandanten durch die Beweisaufnahme nicht widerlegt. Die Transportunfähigkeit des Tieres sei für die Angeklagten nicht erkennbar gewesen. Sie hätten die Schwere der Erkrankung nicht richtig eingeschätzt. "Ein Landwirt kann das nicht wie ein Tierarzt beurteilen", gab der Verteidiger zu bedenken. Richter Christian Calame sah das nicht so. Er verurteilte den Landwirt zu einer Geldstrafe von 3500 Euro, den Fahrer zu einer Geldstrafe von 2250 Euro.

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