Amtsgericht Dachau:Angeschwärzt

Ein Nachbar wirft einem Bäcker Verstöße gegen die Hygiene vor - jetzt muss er sich wegen Verleumdung verantworten.

Walter Gierlich

Nicht erst seit dem Skandal um Müller-Brot dürfte die Öffentlichkeit hellhörig werden, wenn ein Bäcker beschuldigt wird, dass sich in seinem Mehllager Ungeziefer findet. Wenn dann auch noch behauptet wird, dass der Bäcker das Wasser in dem Mehrfamilienhaus, in dem sich sein Betrieb befindet, mit Legionellen verseucht, spätestens dann ist es für die Behörden höchste Zeit zu handeln. Das taten sie auch, doch sie fanden: nichts. Weder ein Lebensmittelkontrolleur des Landratsamts noch Experten des Gesundheitsamts konnten die Vorwürfe eines Hausbewohners bestätigen. Der 74 Jahre alte Rentner erhielt daher einen Strafbefehl wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung. Doch weil er dagegen Einspruch erhob, kam es zur Verhandlung vor dem Dachauer Amtsgericht. Noch ohne Ergebnis: Um weitere Zeugen zu hören, vertagte Richter Lars Hohlstein das Verfahren.

Laut Anklageschrift hatte der Angeklagte den Bäckereibetrieb im vergangenen Jahr gleich mehrmals beim Landratsamt angezeigt. Vor Gericht legte er nach: Drei Fotos sollten angebliches Ungeziefer aus dem Mehllager im Keller des Mehrfamilienhauses zeigen. Die Frau des 74-Jährigen, die als Zeugin vernommen wurde, legte sogar eine tote Mehlmotte vor, von der sie behauptete, sie im August vorigen Jahres im Keller gefangen zu haben. Ein Lebensmittelkontrolleur sagte als Zeuge aus, er sei auf drei Beschwerden des 74-Jährigen unangekündigt im Bäckereibetrieb erschienen, habe aber nichts gefunden - weder Kakerlaken noch Mäusekot. Ebenso wenig übrigens wie ein professioneller Schädlingsbekämpfer, den der Bäcker auf sein Anraten vorsichtshalber bestellt habe. Auf den Fotos, die der Angeklagte vorgelegt hatte, vermochte der Kontrolleur nicht zu erkennen, worum es sich handelt. Sein Fazit nach drei Kontrollen und dem Bericht des Kammerjägers: "Ich kann Schädlingsbefall ausschließen."

Eine Aussage, die der Angeklagte dennoch weiterhin anzweifelte. Er warf auch den Mitarbeitern des Gesundheitsamts vor, ihn nicht befragt zu haben, als sie die Wasserleitungen im Keller inspiziert hätten und nichts Verdächtiges finden konnten. Er hätte ihnen die Quelle der Verschmutzung zeigen können: Denn nach seinen Behauptungen leitete der Bäcker schmutziges Wasser aus einem Gartenbrunnen in eine von vier Trinkwasserleitungen, und zapfte im Gegenzug sauberes Wasser aus der Leitung für sich ab. Keine Anhaltspunkte für diese Vorwürfe habe man gefunden, heißt es jedoch im Bericht des Gesundheitsamts.

"Stecken die auch mit unter der Decke?", fragte Richter Hohlstein mit leicht ironischem Unterton. Denn der Angeklagte hatte zuvor behauptet, Bäcker, Hausverwaltung und Hausmeister versuchten alles zu vertuschen. "Von den anderen Hausbewohnern sagt auch keiner was", sagte er mit dem Ausdruck tiefster Entrüstung, als ihn Hohlstein fragte, warum er seine Beschwerden nicht erst auf einer Eigentümerversammlung vorgebracht habe, statt sich gleich ans Landratsamt zu wenden.

Tatsache ist, dass sich zeitweise Legionellen im Wasser befunden hatten, wie eine Laboruntersuchung ergeben hatte, die das Gesundheitsamt veranlasst hatte. Darauf wurde vorübergehend ein Duschverbot verhängt. Worauf die Verseuchung zurückzuführen sei, konnte in der Verhandlung nicht geklärt werden. Nicht zuletzt deshalb vertagte Richter Hohlstein das Verfahren. Doch auch, weil seine mehrmaligen Versuche, den Angeklagten zur Rücknahme seines Einspruchs zu bewegen, empört zurückgewiesen worden waren.

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