Süddeutsche Zeitung

Amper-Kliniken:Chronischer Pflegenotstand

Die Amper-Kliniken haben zu wenig Personal auf den Stationen. Das kratzt am Image der Klinik und macht sich auch schon in den Bilanzen bemerkbar

Von Thomas Radlmaier, Dachau/Mark Indersdorf

Als Jens Spahn wenige Wochen vor der bayerischen Landtagswahl in Markt Indersdorf aus einem schwarzen Bus mit Berliner Kennzeichen steigt, empfangen ihn zwei Demonstranten, die Pflegerkittel und Mundschutz tragen. Der Gesundheitsminister, der später im Jahr nach dem CDU-Parteivorsitz greifen wird, ist auf Wahlkampftour durch den Freistaat. Er will, wie er sagt, das Vertrauen der Menschen in das Gesundheitssystem zurückgewinnen. Doch im Landkreis ist das schwieriger als anderswo. Spahn wird an diesem Abend vor allem mit einem Thema konfrontiert: "Mehr Pflege im Dachauer Helios Klinikum", steht auf dem Schild, das ihm ein Demonstrant entgegen hält.

Der Pflegenotstand am Amperklinikum hat sich von Beginn bis Ende des Jahres durch die öffentliche Debatte gezogen. Zwar konnte die Gewerkschaft Verdi Ende 2017 in schwierigen Verhandlungen mit der Klinikleitung einen Kompromiss erstreiten, der einen Wechsel vom Haustarifvertrag in den öffentlichen Dienst vorsieht. Doch vielen Pfleger und auch Politikern ging und geht das bis heute das nicht weit genug. Sie kritisierten das Verhandlungsergebnis und forderten mehr Personal am Krankenhaus. "Wir fühlen uns verraten", hieß es vonseiten der Unabhängigen Betriebsgruppe Amperkliniken, die eine Petition auf die Beine stellte.

Mehrmals kam es zu Protestaktionen von Beschäftigten. Im Juli demonstrierten etwa 30 Menschen mit Fahnen und Plakate auf dem Schrannenplatz gegen die in ihren Augen unzumutbaren Zustände für Personal und Patienten am Helios Amper-Klinikum. Die "Bürgerinitiative für mehr Personal in der Pflege - Dachau" hatte zu der Kundgebung aufgerufen. Eine 75-jährige Dachauerin zeigte ihr Karte, die sie stets im Geldbeutel bei sich trägt und auf der steht, dass man sie im Notfall in ein anderes Krankenhaus bringen soll. Eine Krankenschwester aus München rief: "Wehrt euch! In diese Klinik sollte niemand mehr gehen."

Die Kritik von Pflegern, die von "Leistungsdruck" und "chronischen Personalmangel" sprechen, wies Helios stets zurück. Man setze auf den Stationen "die in Deutschland übliche Besetzung für das Verhältnis zwischen Pflegekraft und betreuenden Patienten um", sagte eine Sprecherin. Bei dem Abend mit Spahn in Markt Indersdorf verteidigte sich der neue Klinikgeschäftsführer Gerd Koslowski Helios. "Ja, wir haben Probleme wie jedes andere Krankenhaus auch", sagte er und machte auf den Fachkräftemangel aufmerksam. "Wir bekommen die Pflegekräfte einfach nicht." Im Kreistag im Oktober sagte Koslowski, das Haus habe sich zum Ziel gesetzt, mehr Krankenpfleger einzustellen. Doch der Markt sei leer gefegt.

Im Februar hat Koslowski seinen Vorgänger Thomas Eberl an der Spitze der Amper-Kliniken abgelöst. Für den Vorstand war er der Wunschkandidat. Koslowski ist ein erfahrener Manager. Er arbeitete als kaufmännischer Leiter bei den Münchner Universitätskliniken. Bei seiner Vorstellung sagte er, seine erste Aufgabe sei, die schwierige Situation mit der großen Unzufriedenheit der Pfleger anzugehen.

Die Gewinne der Amper-Kliniken brachen von 8,6 Millionen Euro im Jahr 2016 auf 4,9 Millionen Euro im Jahr 2017 ein, weil sich weniger Patienten behandeln ließen. Maßgeblich für den Rückgang seien laut Koslowskis Beteiligungsbericht, den er dem Kreistag darlegte, der "hohe Wettbewerbsdruck" und "die Wahrnehmung des Klinikums durch Patienten", welche durch "kritische Presseberichterstattung" beeinflusst werde. Gute Nachrichten konnte man im Dezember präsentieren, als Koslowski Presse und Klinikbeirat über die Baustelle am Erweiterungsanbaus in Dachau führte. Bis 2020 soll das OP-Gebäude fertig sein. Derzeit gibt es in Dachau acht Operationssäle, vier neue sollen hinzukommen. Zudem werden die oberen Stockwerke ertüchtigt. Die Sanierung des gesamten Bettenhauses, die mehrere Millionen Euro kostet, soll bis Ende 2021 abgeschlossen sein

Das Amperklinikum hat sich heuer auf mehreren Positionen personell neu aufgestellt. Neben einem neuen Geschäftsführer gibt es auch einen neuen Leiter des renommierten Krebszentrums: Axel Kleespies hat diesen Posten im September übernommen. Hjalmar Hagedorn löste Horst-Günter Rau als ärztlichen Direktor ab. Der neue stellvertretende Direktor ist Maximilian Rist.

Ab 1. Januar 2019 gibt es übrigens in deutschen Krankenhäusern Personaluntergrenzen, die Spahn festgelegt hat, um Patienten und Pfleger zu schützen. Diese gelten für vier besonders pflegeintensive Bereiche: auf Intensivstationen sowie in den Abteilungen Geriatrie, Kardiologie und Unfallchirurgie. An dem Septemberabend in Markt Indersdorf spricht Spahn Klartext. "Die Personaluntergrenzen werden kommen. Aber es hat Konsequenzen. Möglicherweise müssen Betten abgebaut werden." Er könne die Krankenpfleger schließlich nicht herzaubern. Nach fast eineinhalb Stunden und hitziger Debatte muss Spahn los. Da sind bei weitem noch nicht alle Fragen zum Dachauer Krankenhaus geklärt.

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Quelle:
SZ vom 29.12.2018
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