Süddeutsche Zeitung

Altstadt-Galerie:Münzraub, Tigerrahmen und Kabelbinderinnen

Lesezeit: 3 min

Ein Künstler-Trio präsentiert in der Kleinen Altstadt Galerie Werke unter Titeln, die selbst schon geistreiche Kreationen sind

Von Joshua Beer, Dachau

Ein Diebstahl lässt die Bildhauerin Cordula Schieri nicht mehr los. So sehr ist sie von ihm fasziniert, dass sie ihn in einem Kunstwerk quasi nachstellt. Schon der Titel ihrer Installation - "Soft Metal Love" - spielt auf den kuriosen Raub an: 2017 stahlen Diebe die Goldmünze "Big Maple Leaf" aus dem Bode-Museum in Berlin. Es war nicht irgendeine Münze, denn sie entstammte einer kanadischen Prägung, aus der nur fünf Exemplare hervorgingen. Aber noch bemerkenswerter ist, dass sie 100 Kilogramm wog und so groß wie ein Wagenrad war. Bis heute ist sie nicht wieder aufgetaucht. Ihr damaliger Goldwert: 3,75 Millionen Euro.

"Mega absurd" findet die Künstlerin Schieri den Münzraub. Eine Überwachungskamera hat die mutmaßlichen, vermummten Diebe am S-Bahnhof Hackescher Markt eingefangen. Die Aufnahmen laufen in ihrer Installation in Dauerschleife. Dazu hat sie die spartanischen Tatwerkzeuge herangeschafft - natürlich nicht die originalen. Eine Axt steht im Raum, denn damit zerschlugen die Täter die Vitrine, in der die Münze lag. Ebenso ein Rollbrett, womit sie sie aus dem Museum hinausfuhren. Ein Seil ist auch dabei, denn die Diebe seilten sich von den Bahngleisen ab. "Die Münze ist für mich ein Comic-Objekt", sagt Schieri. Vom monetären abgesehen, besitze sie gar keinen Wert. Für ihr Kunstwerk hat sie ihre eigene Münze angefertigt, nur eben nicht aus Gold, sondern Bronze. Sie ist auf einer Leiter - die die Diebe auch benutzten - postiert. Vorne hat Schieri die lateinische Inschrift der Originalmünze zu einer persönlichen Widmung umgewandelt. Und anstatt dem Gesicht von Königin Elizabeth II trägt die Rückseite das Konterfei von Schieri selbst. "Ich finde den Gestus ganz schön, dass ich sie so wiederbringen kann", sagt die Bildhauerin. Die Faszination für den Diebstahl rührt vielleicht auch daher, dass ihr selbst einmal eine Bronzeskulptur geklaut wurde.

Das Münzenkunstwerk ist Teil einer kleinen Ausstellung mit Namen "Odeur de Spielotheque" (soviel wie: "Geruch der Spielhalle"), die Cordula Schieri zusammen mit der Bildhauerin Anne Seiler und dem Künstler Kyrill Constantinides Tank in Dachau ausrichtet - auf Einladung des hiesigen, gemeinnützigen Vereins Schere Stein Papier e.V.. Dieser versteht sich als Kollektiv und Plattform für junge, noch unbekannte Kulturschaffende. Schieri, die in München studiert und nun in Zürich einen Bildhauerei-Master begonnen hat, hat bereits ausgestellt. Für Constantinides Tank, Kunstlehrer in Rosenheim, ist es neu, Bilder auszustellen. Er arbeitet sonst eher performativ, war 2018 Lyrik-Preisträger beim "open mike" in Berlin. Daher kommt womöglich auch seine Liebe zur Titelei, die in der Ausstellung der drei fast schon als eigenständiger Teil wirkt. Ein Bild von Constantinides Tank heißt "Den Titel habe ich schon, das Bild ist noch" und sieht auch so aus. Ein weiteres taufte er "Sich auf kommenden Fehlern ausruhen". Dafür hat er einem gefundenen Bild, das ein recht belangloses Motiv mit Sonne und Palme trägt, einfach einen trashigen, etwas zu kleinen Rahmen aus Tigern verpasst und schon erfüllt es, was der Titel verspricht. Dem in München geborenen Constantinides Tank macht es Spaß, "rum zu experimentieren". Er hat ein ganzes Buch voller Zeichnungen, die er während der Arbeit in einer Buchhandlung auf die Rückseiten von Quittungen kritzelte - jede mit einem Titel versehen. Auch Schieri spielt mit den Namen ihrer Werke, die sie angefangen hat, zu gendern. Eines heißt dementsprechend "Kabelbinderinnen" und besteht aus Silber- und Bronzegüssen. Schieri arbeitet vor allem mit Bronze, eine Legierung aus Kupfer und Zinn. Im sogenannten Wachsausschmelzverfahren kann sie so präzise Gussteile und dadurch Skulpturen herstellen. "Bronze ist kein verlorenes Material", sagt Schieri; das mag sie daran. Man könne es theoretisch wieder einschmelzen und neu verwenden.

Schon der Name ihrer Ausstellung ist durchdacht, spielt er doch auf den "traurigen Geruch" von Spielotheken an, wie Schieri sagt, ein süßer Duft "nach Kippen und Elend". Den konnten sie in der Kleinen Altstadt Galerie des Vereins Schere Stein Papier, wo sie in drei Räumen ausstellen, aber nicht rekonstruieren - zum Glück. Doch auch hier gehe es letztendlich um Zeitvertreib wie beim "Gambling", sagt Constantinides Tank, nur halt ohne Geld zu verlieren. Das Französische verleihe dem Titel dann noch eine "Fake-Aufwertung". Neben Kabelbinderinnen, Tigerrahmen und Schieris Münze erwarten die Besucherinnen und Besucher noch Bronzemäuse, Fahrradhelme und der Vater von Tabaluga. "Ich freue mich, dass wir hier machen können, was wir wollen, was Freshes", sagt Schieri.

Die Vernissage von "Odeur de Spieloteque" ist am Freitag, 17. September, zur Langen Nacht der Galerien um 19:30 Uhr in der Kleinen Altstadt Galerie Dachau in der Burgfriedenstraße 3.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2021
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