Süddeutsche Zeitung

Altomünster:SZ-Tassilo-Preisträger begeistern mit "Hexenschuss"

Der Regisseur der Theatergruppe Altomünster inszeniert das Stück als Komödie über den Fluch der Lächerlichkeit. Am Wochenende gibt es weitere Vorstellungen.

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Wer ihn schon mal hatte, weiß, wie sehr ein Hexenschuss die Lebensqualität beeinträchtigt. Das muss auch der narzisstische, auf sein moralisch einwandfreies Image bedachte Fernsehmoderator Hermann Graf leidvoll erfahren. Dumm nur, dass es ihn nicht im trauten Heim, sondern in der Wohnung seiner Fast-Geliebten Isabell König erwischt. Noch dümmer, dass er auf den Rat seiner Großmutter vertraut. Die hatte ihm einmal gesagt: "Wärme hilft immer". So zwängt sich der Quotenjunkie in Isabells knapp bemessene Sitzbadewanne.

Was nun passiert, erfüllt alle Erwartungen an ein mit Situationskomik reichlich versehenes Theaterstück. Das ist die jüngste Produktion der Theatergruppe Altomünster nämlich. Auf dem Programm steht aktuell das Erfolgsstück des schottischen Autors und Schauspielers John Graham mit dem selbsterklärenden Titel "Hexenschuss". Die Farce sorgt ohnehin schon für Lacher serienweise. Regisseur Wolfgang Henkel hat mit seiner Bearbeitung noch eins draufgesetzt, er hat zudem die Handlung in die Jetztzeit verlegt.

Die Handlung hat es in sich

Eine gute Idee, denn so können die verbal und konditionell schier pausenlos geforderten, aber nie überforderten Darsteller ihr komödiantisches Talent ausleben, und die Bühnenbauer können etliche unerwartete Gags in der schrägen, mit viel Liebe zum Detail gebauten Kulisse unterbringen. Ein umwerfendes Bad in heftigem Türkis - inklusive besagter Sitzbadewanne - erregte schon vor Vorstellungsbeginn die Heiterkeit im Publikum. Dazu gesellen sich im Festsaal des Kapplerbräu eine Diele mit diversen Stühlen und Ablagemöglichkeiten, ein Wohnzimmer mit knalliger orangefarbener Couch, ein Klavier und viele, viele Türen. Letzere sind unabdingbar notwendig, um die unzähligen Auf- und Abgänge der Protagonisten irgendwie zu lenken. Wobei das irgendwie natürlich von Regisseur Henkel minutiös geplant ist und von seiner Schauspieltruppe perfekt umgesetzt wird.

Denn die Handlung hat es in sich: Chorsängerin Isabell, die so gerne Fernsehkarriere machen würde und dafür nahezu alles tut (ein bisschen naiv, ein bisschen durchtrieben: Sybille Schmitz), will ihrem in der Badewanne festsitzenden Fast-Lover Hermann (hinreißend überheblich und doch ein armes Würstchen: Josef Mair) ja so gerne helfen. Doch daran wird sie gleich mehrfach gehindert. Zunächst taucht der Klavierstimmer Thomas Mann ("nicht verwandt, nicht verschwägert") auf. Christoph Neugschwendtner spielt den blinden Moralapostel, der zu allem und jedem etwas zu sagen hat ("Meiner Meinung nach ähnelt das Fernsehen immer mehr einer öffentlichen Bedürfnisanstalt. Wer meint, er muss, der kann."), mit hingebungsvoller Bedächtigkeit. Schon wie er das Klavier zerlegt, aus dem Hemd oder den unergründlichen Tiefen seiner Aktentasche Essbares hervorzaubert, ist umwerfend komisch.

Herr Mann fühlt sich grundsätzlich immer angesprochen

Kaum hat Herr Mann sein Werk begonnen, taucht unerwartet Harald, Pilot und Ehemann von Isabell auf. Wolfgang Henkel macht aus den zumindest in Film und TV immer smarten Herrn der Lüfte einen etwas tapsigen Möchtegern-Herrn im Haus, der es faustdick hinter den Ohren hat. Während Hermann in voller Lautstärke vor sich hin leidet, versucht Isabell mit allen möglichen Ausreden, ihren Ehemann am Betreten des Badezimmers zu hindern. Da taucht auch noch die schwedische Stewardess Cora (großartig: Marina Hörmann) auf. Sie entspricht sämtlichen Männerträumen von der perfekten Flugbegleiterin und bringt den Gatten Harald gehörig in die Bredouille. Damit nicht genug. Der strenge Arzt Dr. Bruchmann (Marcus Gottfried) geriert sich auch ohne weißen Kittel als arroganter Halbgott in Weiß. Der PR-Manager Toni Friesenhart (Kerstin Heye) entpuppt sich als karrieregeile Tussi.

Das Chaos ist komplett. Isabell kämpft mit Schnappatmung und steigert sich in höchsten Diskant. Sie weiß nicht einmal mehr, ob sie gerade mit Hermann oder Herrn Mann spricht. Denn der fühlt sich grundsätzlich immer angesprochen. Gatte Harald trägt schwer an der leichten Cora. Toni versucht vergebens, in ihrem abartigen PR-Sprech den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Isabell bringt es auf den Punkt: "Es ist etwas passiert, was eigentlich nicht hätte passieren sollen, und vorher ist nicht passiert, was eigentlich hätte passieren sollen". Wer diesen sprachlichen Knoten entwirren will, sollte sich zwei Stunden lang in diese Komödie der Irrungen und Wirrungen versenken. Das Stück hat es in sich. Die Darsteller sind fantastisch. Lachen ist immer noch die beste Medizin. Nicht nur gegen Hexenschuss.

Altomünsterer Theatergruppe, SZ-Tassilo-Preisträger: "Hexenschuss". Weitere Vorstellungen im Saal des Kapplerbräus am Freitag, Samstag, und Sonntag, 18., 19. und 20. November. Am Freitag und Samstag jeweils um 20 Uhr, am Sonntag nur noch um 18.30 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 17.11.2016/gsl
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