Altomünster:Verwunschen-paradiesisch

Altomünster: Der Innenhof des Frauenklosters in Altomünster.

Der Innenhof des Frauenklosters in Altomünster.

(Foto: joergensen.com)

Priorin Apollonia gestattet einen Rundgang durch das sonst fest verschlossene Birgittenkloster in Altomünster. Mehr als 100 Zuhörer lassen sich von Historiker Wilhelm Liebhart durch die wunderbaren Gärten und geheimnisvollen Gebäude führen

Von Petra Neumaier, Altomünster

Fast kommt man sich vor, wie Mary Lennox im Buch "Der geheime Garten". Die hohen Mauern, das dichte Grün, das große hölzerne Tor, das ein wenig knarrt und stöhnt beim Öffnen. Genauso weit wie das kleine Mädchen reißt man ungläubig die Augen auf, weil das, was man sieht, so unwirklich erscheint. Wie ein Traum, dessen Anblick dem Betrachter erst einmal die Luft anhalten lässt, bevor seine vor Staunen geöffneten Lippen begeistert "Ahhhs" und "Ohhs" hauchen. Ein Garten Eden, "und das Mitten in Altomünster", betont Professor Wilhelm Liebhart ehrfurchtsvoll. Und dann dreht er sich ständig um seine eigene Achse, um mit seinen Augen wie mit einem Schwamm jeden Winkel des bis dato für die Öffentlichkeit unzugänglichen Klostergartens aufzusaugen.

Dorthinein zu gelangen, was in den vergangenen 500 Jahren nur einigen wenigen, auserwählten Menschen und so gut wie keinen Männern vergönnt war - wen wundert's, dass sich mehr als 100 neugierige und geschichtsinteressierte Touristen und Altomünsterer auf der Kirchentreppe zur Führung der Volkshochschule durch das Birgittenkloster versammeln. Dass sich jene unter der Leitung von Professor Wilhelm Liebhart nicht langweilen würden, wird schon nach seinen ersten einführenden Sätzen klar.

In seiner lockeren Art schüttelt der Historiker Geschichtszahlen und Geschichten aus dem Ärmel. Wie die von Sankt Alto, den so ziemlich einzigen "echten" Heiligen des Bistums, der im Jahre 760 Gründer des Klosters war. Und natürlich auch die von den frommen Männern und Frauen, die es beherbergte. Strikt getrennt in zwei Flügeln, die einen rechts der Kirche, die anderen links - die Mönche im warmen Süden, die Nonnen im kalten Norden. Wie es die Regeln des Erlöserordens bestimmten. Wilhelm Liebhart zuckt die Schultern. "Vielleicht, weil das besser für den Wein war, dem die Mönche mehr zugetan waren." Ab 1803 und der Säkularisierung durch den Staat Bayern wurde das Männerkloster verkauft und von den Besitzern zu Wohnungen umgebaut. Dass das Frauenkloster weiter bestehen konnte, verdankt es lediglich der Tatsache, dass es keiner kaufen wollte. Aber so ist wenigstens der Zugang zum Garten der einst 25 Mönche nicht völlig verwehrt. Schon hier, beim ersten Besichtigungspunkt der Tour, offenbart sich ein kleines Paradies: Große Azaleen- und Rhododendren buhlen um die prächtigsten Farben, eingefasst von den hohen Mauern des Klosters und der Kirche sowie den Resten des einstigen romanischen Kreuzganges. Beschattet von einem riesigen Nussbaum steht das Kleinod der Anlage: das hölzerne, barocke Brunnenhaus. Die "Keimzelle des Klosters", wie der Professor erzählt. Etwas schief hängt das verwitterte Kreuz auf dem spitzen Holzschindeldach. "Ein fallender Ast des Baumes hat es beinah hinuntergerissen", wird später die Haus- und Garteneigentümerin erklären. Unbeschadet blieb zum Glück das fast unwirklich anmutende Häuschen selbst, in dessen verborgenen Inneren die Alto-Quelle weiterfließt.

Entlang der Mauer der zu den bayerischen Ur-Klöstern zählenden Anlage geht es zum Frauenkloster. "Eingang St. Birgittahaus" steht auf dem großen Holztor, an dessen Seite eine moderne Sprechanlage mit Klingel installiert ist. 59 Nonnen waren noch im zweiten Weltkrieg hier zu Hause. Heute sind es zwei. Sie halten die riesige Anlage in Schuss, in der man vermuten könnte, dass die halbe Bevölkerung Altomünsters gut Platz darin hätte.

Priorin Apollonia ist eine gemütlich runde, wie herzlich lächelnde Frau. Freundlich öffnet sie den Besuchern die Tür, deren Türstock, wie die übrigen im gesamten Gebäude, so niedrig ist, dass man nur ehrfurchtsvoll den Kopf senken kann, um sich nicht zu stoßen. Eigentlich in Trauer, weil der Vater gerade 88-jährig verstarb, führt die Priorin in ihrem grauen Habit mit der stilisierten Krone auf dem bedeckten Kopf, die Gruppe an. Schließt diese Tür auf, und jene wieder zu. Immer lächelnd, ab und zu etwas erklärend und offen für Fragen, wenn sie denn jemand stellt. Denn meist bleiben keine bei den Erzählungen des Professors offen. Nicht im ersten Innenhof, mit seinen herrlichen Obstbäumen, dem Stadl und der alten Turmfigur des Heiligen Alto aus dem Jahr 1770, der geschützt unter einem Dach sein "Gnadenbrot" verlebt. Auch nicht im großen und sehr gepflegten Innenhof des Klosters mit dem alten Ziehbrunnen. Ein Anblick, der bei Gemeinderat Wolfgang Grimm Erinnerungen wachküsst: Als Ministrant hat er mit seinen Kollegen vom Kirchturm ab und zu einen neugierigen Blick in den Garten riskiert. "Sobald wir entdeckt wurden, stoben die Nonnen davon", erzählt er noch immer verwundert und amüsiert zugleich.

Ganz andere Geschichten weiß Wilhelm Liebhart, nämlich die, welche die Mauern selbst erzählen: wie die wenigen gotischen Fenster und Türstöcke, Überbleibsel nach den An- und Umbauten im 15. Jahrhundert. Dann geht es hinein, in die langen, schiefen Flure mit ihren knarrenden Dielen und lückenhaftem Deckenstuck. Hinter den niedrigen Türen, die mit den Namen von Heiligen getauft sind, befanden sich einst die winzigen Zellen der Nonnen.

Viel zu rasch geht es wieder hinaus, durch das in den lebendigen Berg gebaute alte Gebäude, das an allen Ecken und Enden Falten schlägt und dessen Mauern hier und da aufreißt wie die Kruste eines frischen Brotes. Anblicke, die dem Historiker schmerzverzerrt das Gesicht verziehen lässt. Genauso wie der Gedanke, was einmal mit dem kostbaren Ensemble passieren mag, wenn die beiden Nonnen nicht mehr sind. "500 Jahre mit Kriegen und Überfällen hat es überlebt. Und mit den letzten Nonnen soll alles vorbei sein?"

Aber dann hellt sich seine Miene wieder auf, als er das Tor zum (fast) Allerheiligsten öffnet: Zum Klostergarten, in dem nur das Summen der fleißigen Bienen und das Zwitschern der Vögel in den prall mit noch grünen Obst behängten Bäumen zu hören ist. Die in die Jahre gekommene, romantische Sommerlaube, die Wiesenblumen, der gepflegte Gemüsegarten, die Aussicht vom Gipfel des Berges auf das Kloster und diese unglaubliche Ruhe lassen nur staunen und tief aufatmen. "Da geht einem doch das Herz auf", ruft Liebhart immer wieder begeistert Und dann schwärmt er von den schönsten Räumen im Ostflügel, die verborgen sind unter den roten Ziegeln, und wo die Zeit stehen geblieben sei und von der Kapelle der Nonnen, die ihresgleichen suche. Leider bleiben sie weiterhin für Besucher geschlossen. Wilhelm Liebhart seufzt. Für das Archiv hat er ja noch seit Studentenzeiten eine Zugangsberechtigung. Aber da seien ja noch die Speicher ... "Das wäre mein Traum."

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