Altomünster:Symbiotische Verbindung

Altomünster: Im Zwiegespräch mit seinem Instrument: Markus Kreul am Klavier.

Im Zwiegespräch mit seinem Instrument: Markus Kreul am Klavier.

(Foto: Toni Heigl)

Pianist Markus Kreul entschlüsselt beim Eröffnungskonzert des Europäischen Musikwettbewerbs Klaviergeheimnisse

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Klaviergeheimnisse. Das klingt nach versteckten Briefen, nach Tränenausbrüchen und Wutanfällen. Für Markus Kreul sind Klaviergeheimnisse aber etwas ganz anderes. Sie sind die Zwiesprache, die symbiotische Verbindung von Instrument und Komponist. Erzählt der Pianist dazu noch aus dem Leben der Musiker, so wird aus einem Konzert sehr schnell eine Spurensuche in den unendlichen Weiten der Musik. So geschehen am Freitagabend beim Eröffnungskonzert des elften Europäischen Musikworkshops (Eumwa) im Barocksaal des ehemaligen Klosters Indersdorf. Warum die Auftaktveranstaltung nicht am Eumwa-"Austragungsort" Altomünster stattfindet, ist übrigens kein Geheimnis: Die Region solle eingebunden werden, "interkommunale Zusammenarbeit" gefördert werden, sagte Anton Kerle, Bürgermeister der Marktgemeinde. Ein Vorhaben, das auch Kreul umtreibt. Der Organisator und künstlerische Leiter der einwöchigen intensiven musikalischen Fortbildung wünscht sich dringend mehr Teilnehmer aus dem Landkreis und weitere Spielorte für die mit dem Eumwa verbundenen Konzerte von Kindern und jungen "Quasi-Profis".

Doch zurück zu den Klaviergeheimnissen, wie Kreul sein Konzert genannt hat. Die Fantasie d-Moll KV 397 von Wolfgang Amadeus Mozart ist ein solches Werk. Für heutige Ohren ist die Bezeichnung Fantasie etwas irreführend. Mozart und seine Zeitgenossen verstanden darunter Improvisationen - und diese wiederum waren der Höhepunkt eines jeden Konzerts der damaligen Zeit, weil hier die persönlichsten Empfindungen der Komponisten ihren Ausdruck fanden. Mozart hat nur zwei seiner Fantasien niedergeschrieben. Von der d-Moll-Fantasie kennt man weder den Zeitpunkt noch den Anlass ihrer Entstehung. Doch was spielt das für eine Rolle angesichts der wunderbaren Musik, die in wenigen Minuten einen ganzen Kosmos von Trauer und Glückseligkeit offenbart? Einen ganz anderen Hintergrund haben Leoš Janáceks "Intime Skizzen", die er kurz vor seinem Tod seiner großen Liebe Kamila Stösslová gewidmet hat. Spannend wie in einer Krimi-Lesung erzählte Kreul von der wechselvollen Geschichte des Notenbands. Wie ein Vertrauter des Paars spielte er die Stücke mit so beziehungsreichen Titeln wie "Nur blindes Schicksal?" oder "Ich erwarte Dich!". Das war sehr schön und sehr innig.

Fast wie ein Kontrastprogramm hörten sich die Mazurken von Frédéric Chopin an. Sehnsucht nach der polnischen Heimat des Komponisten, aber auch die Höhen und Tiefen der stürmischen Verbindung mit der Schriftstellerin George Sand ließ Kreul anklingen. Man sah die Vorkämpferin der Frauenbewegung förmlich vor sich, wie sie Zigarre rauchend in einer Ecke ihres Salons an der Wand lehnt und dem Geliebten zuhört. Es waren diese Momente, in denen Kreuls enge Beziehung zu seinem Instrument am deutlichsten wurden: Mal packte er kraftvoll zu, dann wieder näherte er sich dem Flügel vorsichtig, respektvoll, streichelte beinahe zärtlich die Klaviatur - und schaffte Momente von durchsichtiger Schönheit. Vielsichtig und vielschichtig spielte Kreul dieses Konzert: Ludwig van Beethovens "Sechs Bagatellen" op 126 waren ein Wechselbad der Gefühle. In der Musik bezeichnet man ein relativ einfaches, anspruchsloses Stück mit nicht allzu ernstem Charakter als Bagatelle. Beethoven verlieh den Bagatellen die höheren Weihen, machte aus ihnen gewissermaßen Sonaten en miniature. Kreul spielte sie mit besonderer Empathie, mit viel Takt- und Feingefühl. Was vielleicht auch darin begründet lag, dass ihn mit diesem Stück prägende Erlebnisse verbinden, wie er sagte.

Das gilt uneingeschränkt auch für Franz Liszt' "Sonetto del Petrarca" op. 123 aus seinem Zyklus "Années de pèlerinage" (Pilgerjahre). Der vom Superstar der Salons zum Abbé mutierte Liszt hat hier dem italienischen Humanisten Petrarca und dessen idealisierter Liebe zur schönen Laura ein Denkmal gesetzt. Kreul machte aus den Sphärenklängen einen echten Dialog mit einem Engel, wurde geradezu meditativ. Mit den Davidsbündler Tänzen von Robert Schumann, den Kreul sehr verehrt, zeigte der Pianist die ganze Zerrissenheit des Komponisten. Sind die Davidsbündler Tänze mal mit Florestan, mal mit Eusebius signiert. Zwei Synonyme, mit denen Schumann den Dr. Jekyll und Mr. Hyde in sich charakterisierte und die Kreul adäquat zum Ausdruck brachte. Fazit: Mit dem Eumwa-Auftaktkonzert entschlüsselte Kreul Klaviergeheimnisse auf eine unprätentiöse, sensible Art und mit großem Können.

Der Europäische Musikworkshop Altomünster (EUMWA) findet von Samstag, 15., bis Samstag, 22. April statt. Anmeldeschluss ist am Dienstag, 28. Februar. www.eumwa.de

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