Altomünster:Rockmünster

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Das erste dreitägige Festival im Maierbräu war komplett ausverkauft. Nepo Fitz und Axel Zwingenberger begeistern mit deftigem Kabarett und Boogie Woogie. Und Wirt Toni Christl greift beim abschließenden Gottesdienst selbst zur Gitarre

Von Robert Stocker, Altomünster

"Bierbrauen ist Handwerk. Bierbrauen ist Kultur. Es liegt also nahe, beides zusammen zu führen. Denn auch Kultur ist Handwerk", erklärt Maierbräu-Chef Christoph Maier die Grundidee für das dreitägige Festival in der Leerguthalle. Doch mit den Handwerkern kann es manchmal schwierig werden. Einige halten nicht, was sie versprechen. Sind unzuverlässig oder machen keine saubere Arbeit. Der Mann, der nach Maiers Begrüßung in dunklem Anzug und fliegender grauer Mähne die Bühne betritt, ist dagegen ein Bilderbuch-Handwerker. Zwar hat er weder ein Schweißgerät noch eine Flex dabei, um Sudkessel zu reparieren.

Dennoch ist er ein Handwerker in bestem Sinne - er bearbeitet mit seinen Händen die Tasten eines Klaviers. Bearbeiten ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck. Seine Hände streicheln das Instrument in atemberaubender Geschwindigkeit, seine Finger fliegen über die schwarzen und weißen Tasten, ein Bein wippt im Takt des furiosen Spiels. Die Musik reißt die Zuhörer von Beginn an mit, nicht nur, weil sie technisch perfekt und überaus virtuos präsentiert wird. Es ist dieser Schwung und ansteckende Drive, der kaum einen Konzertbesucher ruhig sitzen lässt. Na ja, am Klavier sitzt einer der besten Boogie-Woogie-Pianisten der Welt.

Gottesdienst unter Scheinwerfern: Pater Michael feierte eine Heilige Messe in der Leerguthalle - mit Rockmusik statt Kirchenchor.

Axel Zwingenberger brilliert.

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(Foto: Niels P. Joergensen)

Auch im Duett mit Christian Christl.

Nein, Axel Zwingenberger muss keinem mehr etwas beweisen. Seit mehr als 40 Jahren hat er sich, wie er sagt, "der heißesten Musik, die je für das Klavier erfunden wurde", verschrieben. Er tourte durch 60 Länder auf vier Kontinenten und arbeitete mit Größen des Genres zusammen: Charlie Watts von den Rolling Stones, Lionel Hampton, Big Joe Turner, Sippie Wallace oder Champion Jack Dupree. Auch beim Maierbräu-Festival steht er mit einem kongenialen Partner auf der Bühne. Christian Christl, ein Meister seines Fachs wie Zwingenberger, ist auch der musikalische Leiter des Festivals. Er nahm Platten mit Willie Dixon auf, dem "Father of Blues", und stand mit Memphis Slim, Ray Charles, Miles Davis und B. B. King auf einer Bühne.

Beide legen erst einmal gleichzeitig los - ein furioses Boogie Woogie-Duett, perfekt getimed und aufeinander abgestimmt. Dann übernimmt Christl einen Solopart, mit dem "ältesten Blues der Welt", der, wie er sagt, aus Schottland stammt. Der Pianist singt dazu, "obwohl ich nicht der große Sänger vor dem Herrn bin", meint er selbstironisch. Natürlich übertreibt er ein wenig.

Zusammen mit seiner Frau Scarlett, die in ihrer Stimme viel Timbre hat und mühelos mehrere Oktaven abdeckt, spielt er alte Bluesnummern wie "Handyman". Der Song verrät, wie man seinen Traummann behält, wenn man ihn denn nach langer Suche gefunden hat: "Keep your mouth shut, don't advertise your man", lautet der Rat, den Scarlett mit viel Gefühl und Swing dem Publikum gibt.

Es folgt der große Auftritt von Zwingenberger, bei dem deutlich wird, warum Musiklegenden wie Lionel Hampton den Mann am Klavier aus Hamburg schätzen: Technische Brillanz und dynamische Rhythmik verbinden sich zu einem virtuosen Spiel, das man nicht alle Tage hört. Zwingenberger macht das souverän und gelassen, sein perfekter Vortrag ist so präzise wie die Rädchen eines Schweizer Uhrwerks. Spieltechnisch besonders mitreißende Passagen quittiert das Publikum mit Zwischenapplaus.

Großen Anklang fand nicht nur der musikalische Höhepunkt des Festivals, sondern auch der Kabarett-Abend am Freitag mit Nepo Fitz. Auch diese Veranstaltung war wie das Boogie Woogie-Konzert mit 440 Besuchern ausverkauft. Fitz, der mit seinen bisherigen Soloprogrammen nahezu alle Kabarettpreise erhalten hat, präsentierte sein neues Programm "Kabarett 3.0". "Dringend" ist das neue Motto des Sohnes von Kabarettistin Lisa Fitz und Moderator und Rockmusiker Ali Khan. Er versucht, einen Ausweg aus der nervigen Fragerei und ständigen Zeitnot der Menschen aufzuzeigen.

Schließlich gibt es eine Unmenge von dringenden Fragen, die alle an einem Abend beantwortet werden müssen: Rüstung, Sicherheit, Internet, Menschenrechte, Massentierhaltung und eine Reihe von kryptischen Dingen, die sich hinter Kürzeln wie NSA oder NSU verbergen. Fitz brennt auf der Bühne ein Feuerwerk ab. Er schauspielert, spielt Klavier und singt dazu. Seine dynamische Bühnenpräsenz verlangt dem Publikum einiges ab. "Den älteren Besuchern jenseits der siebzig ist es vielleicht ein bisschen zu viel geworden", sagt Christoph Maier augenzwinkernd.

Zum Abschluss feierten die Gäste einen Gottesdienst in der Leerguthalle. Die Musik kam nicht vom Kirchenchor, sondern von der Band Bigpack. Die Rockmesse zelebrierte Pater Michael. Nach dem Gottesdienst gehörte allein Bigpack die Bühne. Rock'n'Roll zum Schweinsbraten und einer Maß Bier - auch hier wurde das Motto des Festivals "Bier und Kultur" mit Leben erfüllt. Kein Wunder, dass es auch diesmal gut umgesetzt wurde: Bandgründer Toni Christl ist auch der Wirt des Maierbräu.

© SZ vom 11.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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