Konzert in RöhrmoosMusikalische Farbenpracht vor barockem Prunk

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In der Pfarrkirche St. Alto erklingt die Passionsmusik von Carl Heinrich Graun.
In der Pfarrkirche St. Alto erklingt die Passionsmusik von Carl Heinrich Graun. (Foto: Toni Heigl)

Die „Röhrmonists“, der Kirchenchor und das Orchester der Kreuzkirche Pfaffenhofen führen „Der Tod Jesu“ von Carl Heinrich Graun auf. Die Klosterkirche in Altomünster bietet dafür einen stimmigen Rahmen.

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Zur Karwoche, in der Christen in aller Welt an das Leiden und Sterben Jesu erinnern, gehört in unseren Breiten – und weit darüber hinaus – Passionsmusik, vorzugsweise die Matthäus- oder Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Doch diese großen Oratorien sind seit Jahren vorzugsweise in Konzertsälen und nicht mehr in Kirchen zu hören.

Da tut es gut, wenn sich engagierte Sängerinnen und Sänger einer – man möchte fast sagen – Passionsgeschichte der anderen Art annehmen und sie in einem Gotteshaus aufführen. Die Röhrmonists sowie der Kirchenchor und das Orchester der Kreuzkirche Pfaffenhofen haben für ihr Konzert am Palmsonntag „Der Tod Jesu“ von Carl Heinrich Graun (1703-1759) die barocke Klosterkirche in Altomünster als Aufführungsort gewählt. Eine wunderbar stimmige Entscheidung. Überstrahlt doch die herrliche spätbarocke Innenausstattung mit ihren Putten, Deckengemälden und Heiligenfiguren die traditionell in der Karwoche verhüllten Altarbilder und Kruzifixe.

Empathie und Vorfreude

Womöglich wollte der Textdichter Carl Wilhelm Ramler (1725-1798), den seine Verehrer als „deutscher Horaz“ titulierten, mit seiner Kunst auch eine Verbindung schaffen: die Empathie mit den qualvollen Leiden Christi und die Vorfreude auf die Herrlichkeit der Osternacht; Komponist Graun jedenfalls tat es mit seinen Tönen, die „Versenkung, Betrachtung, Trost, Erbauung und Belehrung für die gekränkte Seele mit musikalischer Brillanz und Empfindsamkeit“ verbinden, wie es in einem Podcast von Deutschlandfunk Kultur heißt. Damit traf dieses Passionsoratorium einen Nerv der Zeit – und auch den der Gegenwart, die so dringend Tröstliches angesichts der weltweiten Schrecken von Not, Krieg, Verfolgung und Tod braucht.

Angeregt hatte die Zusammenarbeit von Dichter und Komponist Prinzessin Anna Amalia von Preußen (1723-1787), die jüngste Schwester Friedrichs des Großen und selbst Komponistin. 1755 war die Uraufführung im Berliner Dom. Sehr schnell wurde „Der Tod Jesu“ zum kirchenmusikalischen Hit und verbreitete sich in evangelischen und katholischen Pfarrgemeinden – bis diese Musik der sogenannten Epoche der Empfindsamkeit von Bachs Monumentalwerken ins Abseits gedrängt wurde.

„Oh Haupt voll Blut und Wunden“

Das zu Unrecht lange vergessene Werk beginnt mit dem alten Choral „Oh Haupt voll Blut und Wunden“, wie überhaupt Choräle mit ihrer erhabenen Getragenheit eine wichtige Rolle in dieser Passionsgeschichte spielen, die ganz ohne Personifizierung oder Rollenverteilung wie etwa in Bachs Oratorien auskommt. Textdichter Ramler hat vielmehr die biblischen Texte ziemlich frei nacherzählt und – wie Analysten der Universität Heidelberg akribisch erforscht haben – auch großzügig umgedichtet. Nachvollziehen ließ sich das bei dieser Aufführung leider nicht, da je nach Sitzplatz die Akustik manches unhörbar machte. Das war aber auch das einzige Manko dieses außergewöhnlichen Konzertabends.

Unter der temperamentvollen Leitung von Stefan Daubner, der vom E-Piano aus Chor, Orchester und Solisten dirigierte, entfaltete sich die ganze musikalische Farbenpracht von Grauns Musik. Gerade die Chöre und Choräle beeindruckten, weil sich hier zwei Chöre nach überwiegend getrennten Proben zu einem stimmigen und stimmungsvollen Klangkörper zusammengefunden hatten. Mit der gewaltigen Doppelfuge „Christus hat uns ein Vorbild gelassen...“ nach einem Vers aus dem ersten Petrus-Brief übertraf diese Singgemeinschaft sich selbst. Ähnliches ist auch von den Solisten zu berichten.

Sopranistin Julia Rempe schaffte mühelos die anspruchsvollen Koloraturen.
Sopranistin Julia Rempe schaffte mühelos die anspruchsvollen Koloraturen. (Foto: Toni Heigl)

Sopranistin Julia Rempe schaffte mühelos die von Graun – ganz im italienischen Opernstil der Zeit – geforderten Koloraturen. Bassist Nikolai Ardey überzeugte mit prophetisch mahnendem Gesang wie etwa in Rezitativ und Arie „Jerusalem voll Mordlust“ und „So stehet ein Berg Gottes“. Altistin Christianne Breuer – eine Stütze des Chors wie auch Tenor Michael Braun – sang mit Inbrunst und Können. Ihr Tenorkollege ließ die Waffen der römischen Soldaten im Garten Gethsemane klirren. Das kleine, nur mit fünf Streichern, einem Fagott und zwei Flöten besetzte Orchester spielte mit Zartheit, Verve und Leidenschaft, ganz so, wie es die Musik erforderte. So wurde „Der Tod Jesu“ mit seinen lyrischen und dramatischen Passagen in der gut besuchten Altomünsterer Klosterkirche St. Alto und St. Birgitta zu einer in sich stimmigen, packenden Einstimmung auf die Karwoche.

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