Altomünster:Der große Schweiger

Ulf Maier lebte jahrzehntelang in Hohenzell, malte Farbakkorde und stellte fast nie aus. Nach seinem Tod im Jahr 2016 widmen ihm das Museum Altomünster und seine Frau Ingeborg Maier-Buß eine Retrospektive

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Fast dreißig Jahre lang hat der Maler Ulf Maier (1940 bis 2016) zurückgezogen im Altomünsterer Ortsteil Hohenzell gelebt und gearbeitet. So zurückgezogen, dass nur wenige Menschen sein umfassendes künstlerisches Werk überhaupt kennen. Das soll sich nun ändern. Vom kommenden Sonntag an ist im Museum Altomünster eine Schau mit Aquarellen des Künstlers zu sehen. Unter dem Titel "Farbakkorde" werden Arbeiten aus Ulf Maiers letzter Schaffensperiode gezeigt.

Den Anstoß dazu hatte seine Ehefrau Ingeborg Maier-Buß mit Künstlernamen "Bussi Buhs" gegeben, selbst Bildhauerin, Chemikerin und Schmuckdesignerin. Die ehemalige Leiterin der Kunststoffwerkstatt an der Akademie der Bildenden Künste in München hatte sich dafür stark gemacht, dass im Museumsforum (vorläufig) nicht ihre bunten Plastiken zu sehen sind, sondern das Oeuvre ihres Mannes eine posthume Würdigung erfährt. Realisiert haben die Ausstellung der ehemalige Vorsitzende des Kulturförderkreises in Altomünster, Uli Schneider, und der Amperland-Herausgeber Wilhelm Liebhart, Historiker und Vorsitzender des Heimat- und Museumsvereins. Die beiden Wissenschaftler haben zudem einen Ausstellungskatalog zusammengestellt, der Ulf Maiers Werk in einen kunsthistorischen Zusammenhang stellt und sich dabei auf eine Spurensuche begibt.

Altomünster: Das Museum Altomünster zeigt einen Ausschnitt der Aquarelle Ulf Maiers.

Das Museum Altomünster zeigt einen Ausschnitt der Aquarelle Ulf Maiers.

(Foto: Museum Altomünster/oh)

Führerin bei dieser Expedition ist Bussi Buhs. Sie gewährt bei einem Besuch freigiebig Einblick in Leben und Schaffen ihres Mannes. Das Ehepaar hat vor 27 Jahren sein lichtes Haus mit zwei Ateliers in Hohenzell gezogen. Mittlerweise hüllen Bäume und eine riesige Bambushecke das Gebäude wie einen Kokon ein - und gewähren doch immer wieder den Blick nach außen, in die Weite. Bussi Buhs erzählt von der Inspiration und Schaffensfreude ihres Mannes, die durch diese Innen-Außen-Beziehung ihre Initialzündung erfahren haben.

Ein großer Schweiger

Altomünster: Maiers Aquarelle ziehen den Betrachter in eine Welt aus Farben.

Maiers Aquarelle ziehen den Betrachter in eine Welt aus Farben.

(Foto: Museum Altomünster/oh)

Aber auch von dessen letzten Lebensjahren berichtet sie, von seiner Krankheit, die ihn buchstäblich endgültig zum Verstummen brachte, von "Pflegekräften, die sich die Klinke in die Hand gegeben haben". Ulf Maier sei "ein großer Schweiger gewesen, ein Mensch, der sich selbst genug war", sagt sie, umgeben von seinen Werken und seinen Büchern im Wohnatelier. Fotos zeigen einen in sich gekehrten Mann, einen, dem man abnimmt, dass er Bilder für sich sprechen ließ. Dabei war er - äußerliche Schweigsamkeit hin oder her - ebenso ein Mann des Wortes. Seine unzähligen Notizen und Anmerkungen kommentieren kritisch und ironisch das Kunst- und Zeitgeschehen.

Seine Bilder, von denen ein Teil nun in der Altomünsterer Ausstellung zu sehen ist, haben gleichfalls ihre ganz eigene Sprache. Sie erzählen helle, lichte Geschichten, die sich wie die Rundungen eines Schneckengehäuses ineinander verweben. Oder sie erinnern an die nur auf den ersten Blick verzwickten Labyrinthe auf den Fußböden gotischer Kathedralen - die letztendlich immer auf ein übergeordnetes Ziel, eine Lösung, ausgerichtet sind.

Spätere Werke zeigen Maier als Künstler, der seine überbordende Kraft streng disziplinierte, sie in geometrische Formen und penibel aufeinander abgestimmte Farbskalen fasste. "Kästchenbilder" nennt seine Frau Bussi Buhs diese Arbeiten. Das Etikett ist entschieden zu niedlich für diese farbsatten, irritierenden und doch in sich stimmigen Werke. Weshalb seine Frau später auch von "Eckchen mit Action" spricht.

Altomünster: Ulf Maier ist 76 Jahre alt geworden und hat mit seiner Ehefrau Ingeborg Maier-Buß, der ehemaligen Werkstattleiterin für Kunststoffe an der Münchner Akademie, in Hohenzell bei Altomünster gelebt.

Ulf Maier ist 76 Jahre alt geworden und hat mit seiner Ehefrau Ingeborg Maier-Buß, der ehemaligen Werkstattleiterin für Kunststoffe an der Münchner Akademie, in Hohenzell bei Altomünster gelebt.

(Foto: Museum Altomünster/oh)

Sie sind das Ergebnis eines komplexen Schaffensprozesses. Der hatte so gar nichts mit einem irgendwie genialischem Farbe auf die Leinwand werfen zu tun. Vielmehr ähnelte er einer durchkomponierten Fuge Bach'scher Prägung, wie seine Frau berichtet: Maier zeichnete zunächst mit dem Bleistift ein Gitterraster auf ein leeres Blatt. Sanfte Rundungen weichen im Laufe der Jahre zunehmend strengen, rechteckigen, vertikalen Feldern. Die so entstandenen Kästen füllte er mit unterschiedlichsten Farben - Stück für Stück, "immer von links oben, Reihe für Reihe, bis er rechts unten angekommen war". Maier selbst notierte: "Jedes Farbfeld ist auf seine angrenzende Nachbarschaft bezogen. Innerhalb dieser Bezüge muss der Farbton stimmig sein." Seine Frau sagt dazu: "Er hat seine Bilder geschrieben."

Sie erinnern partiell an Paul Klee, an Adolf Hölzel oder an Wassily Kandinsky - nicht zuletzt aufgrund der unübersehbaren Variationen von Rot. Diese übertrumpfen die gelben, orangen, grünen und blauen Farbfelder. Sie sind aber zugleich fein aufeinander abgestimmt. Sie flirren und verwirren wie Bilder im Kaleidoskop. Bis zu einem Jahr habe Maier an einem einzigen Bild gearbeitet, sagt Bussi Buhs. Das war wohl nur möglich, weil der gelernte Grafiker nach seinem Kunststudium in Wien sich keinem Produktions- und Ausstellungsstress unterwarf, sondern im Grunde "für sich selbst malte". So hatte er von 1970 bis 2003 nur sieben Ausstellungen - mit Pausen von bis zu zwanzig Jahren. Maier musste nicht vom Verkauf seiner Bilder leben, er konnte sich die Freiheit nehmen, sich und sein Werk zu entwickeln. Oder wie er selbst schrieb: "Jedes dieser Bilder ist eine kleiner Farborganismus, ein winziger Ausschnitt aus einem Bereich unendlicher Möglichkeiten".

"Farbakkorde", Ulf Maier im Museumsforum Altomünster. Vernissage Sonntag, 19. Februar, 15 Uhr.

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