Serenaden zum Träumen waren beim Musikfest Blumenthal angekündigt. Doch es sollten Serenaden zum Niederknien werden – trotz des blitzgewaltigen Zwischenfalls in der Pause, der Löcher in das Dach des Konzertsaales sprengte und die Weide im Innenhof zerriss. Getreu dem Motto „The music must go on“ wurde das Abendkonzert am Samstag auf dem Musikfest in Schloss Blumenthal dennoch ein Höhepunkt meisterhafter Kompositionen von Antonín Dvořák und meisterhaft dargeboten von den Bläsern und Streichern des Festspielorchester Camerata Vitilo.
Das Orchester alleine ist schon Garant für einen unvergesslichen Musikgenuss. Lange ist deshalb die Schlange der Besucher, die sich selbst von der Schwüle unter dem Dach des riesigen Ökonomiegebäudes nicht abschrecken ließ. Denn längst hat sich herumgesprochen, dass das Ensemble als musikalischer Botschafter der Region das erste und einzige professionelle Orchester im Wittelsbacher Land ist. Hier finden Musiker zueinander, die sonst in internationalen Spitzenensembles und -orchestern musizieren oder als Professoren an renommierten deutschen Musikhochschulen arbeiten. Unter anderem kommen sie von der Kammerphilharmonie Bremen und Potsdam, der Deutschen Oper Berlin, der Bayerischen Staatsoper, den Berliner Philharmonikern und dem Gürzenich-Orchester Köln nach Blumenthal. Eine solche hochkarätige Besetzung hört man eben nicht alle Tage – und nur in Blumenthal.


Betörend beginnt das Konzert mit der Serenade für Bläser D-Moll, op. 22. So sanft, so zart, so heiter. Eine einzige Freude an Klängen und dem Spiel des Bläserensembles, zu dem natürlich auch der Veranstalter des einzigartigen Festivals, der Klarinettist Georg Arzberger, gehört. Im Takt wedeln sich Damen wie Herren mit der Zeitung der Gemeinschaft Blumenthal etwas Wind ins Gesicht, die Konzentration haftet in jeder Sekunde jedoch an den herrlichen und abwechslungsreichen Melodien, die ein Spiegelbild der volkstümlichen böhmischen Volksmusik ist: romantisch, fröhlich, sentimental. Und das als einer der grandiosesten Bläserserenaden gilt, von seinem Anfang bis hin zu den letzten schmetternden Horntriolen. Tosender Applaus krönen das Ende der viel zu schnell vergangenen 35 Minuten.
Pause. Flanieren im grünen Innenhof, unter den Bäumen. Die leisen Donnergrollen, die das Konzert hier und dort mit ihrem tiefen Bass begleitet hatten, sind verschwunden. Umso überraschender und schockierend der plötzliche Blitz – regelrecht aus heiterem Himmel: waagrecht, nur kaum zwei Meter entfernt und nahe dem Boden, zischt er vorbei. Ohrenbetäubend der Knall, das Schlagen, das Bersten und der Donner, die folgen.
Dachziegel regnen vom Dach, Vogelschwärme flüchten Hitchcock gleich über den dunklen Himmel, der sofort seine Schleusen öffnet: Riesige Tropfen klatschen auf die Besucher herab, denen Wassermassen folgen. Schnell rauf zum Dachboden. Nass wird man hier oben auch. Denn wie aus der Dusche ergießt sich der Regen durch das vielfach durchlöcherte Dach. 15 Minuten dauert der Spuk, die Feuerwehr sperrt die offenen Stellen ab, das Publikum weicht auf andere Plätze aus. Die Bühne ist kaum bis gar nicht betroffen, „Wir spielen weiter“, verkündet Georg Arzberger unter dem Jubel der Gäste.
Und wie sie spielen, die Streicher, die die Seele berühren mit ihren zarten, jauchzenden, himmlischen und wehmütigen Klängen der Streicherserenade in E-Dur. Jetzt werden nur noch die Augen nass, während angenehm kühl der Wind durch das löchrige Dach weht. Genuss pur und Entspannung für die eben noch aufgewühlte Seele. Wundervoll die Musik, die besonders viel Lust macht, wieder mehr klassische Konzerte zu besuchen – und dankbar für Veranstaltungen wie das Musikfest Blumenthal.