Alternatives Bauerntheater:Gesellschaftssatire statt Bauernschwank

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Während die Damen sich zanken, beruhigen Neffe Sebastian und Sohn Karlfred Tante Kathi. Butler Hugbert hält sich derweil lieber im Hintergrund. (Foto: Andreas Förster)

Die Volksbühne Dachau überrascht mit einer bitterbösen, famos gespielten Erbschleicherkomödie

Von Andreas Förster, Dachau

Ausgangssituation des Stücks "Happy Birthday Tante Kathi" aus der Feder des Berliner Autors Andreas Keßner ist der 85. Geburtstag der Katharina Kathi Kronstein. Sie als Erbtante zu bezeichnen, wäre sicher nicht ehrenrührig, denn auf der Geburtstagsfeier entpuppen sich alle Gäste als mehr oder weniger als Erbschleicher: Sowohl ihr dem Alkohol zugeneigter Sohn Karlfred als auch dessen permanent keifende Frau Carlotta sowie Tante Kathis übertrieben hingebungsvoller Neffe Sebastian und, mit Abstrichen, das heulende Elend Esther, das den Tod ihres Mannes, Katharinas Sohn Reinhard, noch genauso intensiv betrauert wie zum Zeitpunkt seines Ablebens vor fünfeinhalb Jahren. Einzige Ausnahme scheint der brave, etwas aus der Zeit gefallene Butler Hugbert zu sein, ein Gentleman alter Schule, doch auch er offenbart nach und nach Abgründe, mit denen niemand rechnen konnte.

Dass die Schauspieler der Volksbühne Dachau dabei ihre Muttersprache, also bairisch sprechen, das kommt auch denjenigen im Publikum entgegen, die vor allem wegen des Bauerntheaters gekommen waren. Doch was sie sahen, hatte mit Bauerntheater in etwa so viel zu tun wie Hugbert mit Johann, Alfred, Friedrich oder Wolfgang. So nennt die ignorante Geburtstagsgesellschaft Katharinas Butler, der das anfangs geduldig korrigiert, aber irgendwann resigniert. Nun also: "Tante Kathi" ist kein Bauerntheater. "Nicht dieselbe Sülze wie im Herbst", fand Daniela Renner, als sie nach einem Stück fürs Frühjahr suchte. Sie wollte etwas Modernes, einen frischen Wind, der mehr junge Menschen ins Theater pustet. Mit "Happy Birthday Tante Kathi" entschied sich die 30-Jährige nicht nur für frischen Wind, sie wählte einen Sturm, bei dem den Zuschauern im Erchana-Saal des Ludwig-Thoma-Hauses Hören und Sehen verging: Eine Klingel malträtiert in schöner Regelmäßigkeit das Gehör aller im Saal, ob auf oder vor der Bühne. Ein Running Gag, vielleicht nicht der kreativste, auf jeden Fall aber ein sehr wirkungsvoller. Ein Butler ohne Hose und eine sich im Zustand der Trunkenheit übergebende Darstellerin spielen etwas leisere, aber nicht minder wirkungsvolle Rollen. Die geldgierige Schwiegertochter Camilla, von einigen Verwandten als "Chamäleon" verspottet, ist an Falschheit nicht zu überbieten und geht allen auf die Nerven.

Für die sechs Darsteller und Maskenbildnerin Melina Schwaiger ist das Stück die beste Gelegenheit zu zeigen, was in ihnen steckt: Sandra Lackner, eigentlich Ende 50, gibt die 85-jährige demente Greisin Katharina im Rollstuhl so überzeugend, dass man nur den Hut ziehen kann. Alexander Grimmer überzeugt als Katharinas arroganter Sohn Karlfred, der sich die Ehe mit Carlotta (intrigant und rücksichtslos: Victoria Neumeyer) schön säuft. Eva Grimme, mit dunklen Augenringen gebrandmarkt, nervt alle mit ihrer krankhaften Larmoyanz; Gerald Krauss spielt seine Rolle als scheinbar naiver und demütiger Butler sehr glaubhaft; Matthias Ockblohm als undurchsichtiger Neffe bleibt in dem Ensemble indes ein wenig blass.

Jung-Regisseurin Daniela Renner, Enkelin des langjährigen Volkbühnenvorstands und -Regisseurs Roland Strobl, inszenierte ihr drittes Stück mit viel Wortwitz und Sinn für Komik und Timing - und eben auch in bairischer Mundart -, so dass sich der Dreiakter, bei aller Gesellschaftskritik, problemlos in die erfolgreiche Tradition des deftigen Bauerntheaters der Volksbühne einreiht. Dass Renner als Regisseurin auch ein Händchen für Darsteller hat, kommt nicht von ungefähr: Bis 2014 stand sie selbst noch auf der Volksbühne, das Theater hat sie mit der Muttermilch aufgesogen. Neben Großvater Roland, der noch bis letztes Jahr Regie führte, ist Papa Ernst für Licht- und Tontechnik zuständig und Mama Cornelia die Souffleuse. Beide gehören seit Jahrzehnten zum Ensemble der Volksbühne Dachau. Auch Onkel Jürgen und Bruder Thomas sind Schauspieler, Letzterer allerdings von Berufs wegen mittlerweile am Staatstheater in Oldenburg. Das macht die Volksbühne Dachau nicht ganz, aber fast zu einem Familienbetrieb.

"Happy Birthday Tante Kathi" läuft noch am Samstag, 6. April, und Samstag, 13. April, jeweils um 20 Uhr sowie Sonntag, 7. April, und Sonntag, 14. April, jeweils um 18 Uhr.

© SZ vom 04.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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