Wer erfährt, dass der neue Nachbar Schlagzeug, Trompete oder Dudelsack spielt, bereut seinen Umzug vielleicht kurz. Schließlich kann man das tägliche Getröte, Getrommel oder das schiefe Quietschen und Prusten am Wochenende und zu später Stunde schon erahnen. Noch schlimmer wird es wohl den Nachbarn von Marcel Engler gegangen sein, auch wenn der Künstler, der unter dem Namen "Loisach Marci" auftritt, sein lautstarkes Instrument absolut beherrscht. Der gebürtige Partenkirchener spielt Alphorn, was nicht dafür bekannt ist, sonderlich leise, unauffällig oder in irgendeiner Weise praktisch zu sein und sicherlich nicht zu den Wunschinstrumenten eines Nachbarn gehört. Mit seinem "Alphorn-Techno" erreicht er aber eine kleine Fan-Gemeinde, zuletzt im Freiraum Dachau.
Rund 100 Menschen aus allen Altersschichten drängten sich vor dem über drei Meter langen Alphorn auf der Bühne, als Marcel Engler wieder "oan aufspuit", wie er sagt. Mit schwarzem Hemd und traditionellem Trachtenhut, aus dem eine große Feder heraussteht, spielt der Loisach Marci auf dem Alphorn, im Hintergrund laufen Downtempo-Beats. Immer wieder unterbricht er sein Konzert, um über "das einfache Leben in den Bergen" und das Thema Heimat zu philosophieren. Zur elektronischen Musik kam er, als er zum ersten Mal in München war, sagt er. "Das kann man ja auch mit traditionellen Instrumenten machen", ruft er in das Publikum, bevor er das nächste Lied anstimmt.
"Popcorn", "Flug" oder "Muc" heißen seine Werke auf der Streaming-Plattform Spotify. Neben dem Alphorn untermalt der Multi-Instrumentalist die elektronischen Beats auch mit Klanglöffeln, Mundharmonika, Heulschlauch oder Trompete - begleitet von regelmäßigem Jodeln und Juchzern.
Im Laufe des Abends wird der Sound aus den Boxen schneller und hat jetzt definitiv etwas mit Alphorn-Techno zu tun. Sein Instrument klingt wie ein bayerisches Didgeridoo, auch wenn das Alphorn offiziell in der Schweiz erfunden wurde. Vielleicht ist es diese Symbiose aus Tradition und Moderne, die junge und alte Menschen auf seine Konzerte locken, denn der Altersschnitt reicht vom Jugendlichen bis zum Senioren.
Knapp zwei Stunden dauert das Konzert im Freiraum, bis der Loisach Marci nach mehreren Zugaben die Bühne verlässt und sein Alphorn abbaut. Sein Terminkalender ist voll, morgen folgt schon der nächste Auftritt. Bis er also wieder in seiner Heimat Garmisch-Partenkirchen zum Üben kommt und die Nachbarschaft daran teilnehmen lässt, vergeht also noch etwas Zeit.