Süddeutsche Zeitung

Allerheiligen-Hofkirche:Abendfüllendes Schlagzeugsolo

Perkussion spielte in der klassischen Musik früher nur eine untergeordnete Rolle. Das ändert sich gerade - und das liegt auch an Christian Benning. Der Dachauer Multiperkussionist bestreitet in München ein Einzelkonzert mit unterschiedlichen Instrumenten

Von Interview von Gregor Schiegl

Dass Christian F. Benning ein Riesentalent ist, steht außer Frage. Mit drei Jahren erhielt der Dachauer seinen ersten Schlagzeug-Unterricht. Sowohl als einzelner Perkussionist wie auch im Ensemble ist der Musiker heute auf namhaften Konzertbühnen zu hören und zu sehen, nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit. Benning, der auch mit dem Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet wurde, gibt an diesem Freitag, 24. Mai, um 20 Uhr erstmals ein abendfüllendes Konzert in der Allerheiligen-Hofkirche der Münchener Residenz - solo. Karten gibt es an der Abendkasse oder im Vorverkauf bei München Ticket oder beim Veranstalter.

SZ: Herr Benning, Sie sind in der Philharmonie in München aufgetreten, im Wiener Justizpalast und in der Goodwin Hall in Baltimore. Warum ist das Konzert in der Münchener Residenz trotzdem etwas Besonderes für Sie?

Christian Benning: In der Allerheiligen-Hofkirche habe ich schon einige Male gespielt, in verschiedenen Formationen. Zum einen habe ich dort meine ersten Erfahrungen als Pauker im Jugendorchester gesammelt mit Beethovens Fünfter. Zum anderen habe ich vor zwei Jahren mit meinem Percussion-Ensemble, der Benning Percussion Group, damals noch Percussion No. 1, meinen eigenen Schlagzeugabend gespielt. Und jetzt ist es natürlich schon etwas Besonderes, weil es ein sehr renommierter Münchner Konzertsaal ist, mit dem ich persönlich viel verbinde und in dem ich jetzt ganz alleine einen Konzertabend fülle - mit allen möglichen Schlaginstrumenten.

Als Perkussionist kann man ja fast auf allem spielen, es muss ja nicht mal ein richtiges Instrument sein. Wie viel Perkussion fahren Sie für Ihr Konzert auf?

Ich habe ja selber ein großes Auto, aber das hätte für dieses Konzert nicht ausgereicht. Wir haben für diesen Tag extra einen Sprinter gemietet.

Und was haben Sie da alles drin?

Vier Pauken, allerlei Toms und Bass Drums, Marimba, Vibraphon, kleine Trommeln, Kochtöpfe - alles Mögliche.

Wer Sie im Konzert erlebt, merkt schnell, dass Perkussion viel mehr ist als nur Rhythmus.

Ja, absolut. Natürlich ist der Rhythmus, das Impulsgeben, die Grundaufgabe der Perkussion, gerade im Ensemble. In allen Musikkulturen gibt es Perkussion, das ist im Menschen verwurzelt, aber dieser Teil der Musik hat sich jetzt mehr und mehr entwickelt, multiperkussiv, mit Melodie. Marimba und Vibraphon sind genauso chromatisch aufgebaut wie ein Klavier, das gibt mir als Percussion-Musiker die Möglichkeit, mit dem Schlägel auch Akkorde und Harmonien zu spielen. Das ist, was Schlagzeug für mich so reizvoll macht: dass die Instrumentenvielfalt so wahnsinnig groß ist und dass man wahnsinnig mit Klangfarben spielen kann, dass man wechseln kann zwischen diesem rein rudimentär Rhythmischen und dem melodischeren Part. Was man beispielsweise aus einer einzigen Trommel herausholen kann, das ist wahnsinnig spannend. Es ist schön, Teil dieser aktuellen Entwicklung zu sein und zu sehen, wie sich das Schlagzeug mehr und mehr als gleichwertiges Instrument etabliert neben Geige, Flöte und Klavier, die in ihrer Entwicklung als klassisches Soloinstrument ja schon einige Jahrhunderte voraus sind.

Das merkt man auch an der Literatur: Für Klavier und Geige gibt es unzählige Musikstücke. Kompositionen für Perkussion als Soloinstrument muss man lange suchen.

Absolut. Wir haben viele Stücke im Repertoire, deren Komponisten noch leben, was auch spannend ist, weil man sich - wie ich es auch tue - mit den Komponisten über die Stücke austauschen kann. Und natürlich haben viele der ganz großen Komponisten - von Beethoven bis Mozart und Schostakowitsch - für Schlagzeug so noch nicht komponiert, weil es das in dieser Form damals noch gar nicht gab. Wir haben deshalb Stücke von Bach bis Mozart für unsere Ensemble arrangiert, aber auch Stücke, die extra für unsere Besetzung geschrieben werden und die ich teilweise auch selbst arrangiere. Ich habe auch einige Stücke dabei, die älter sind, Albéniz zum Beispiel oder Bach, die aber auf mein Instrument adaptiert wurden.

Was genau haben Sie für Ihr Solo-Programm in München geplant?

Von Bach bis Beatles ist eigentlich alles dabei. Es ist wirklich ein sehr bunter Mix, da ist für jeden was dabei, ein sehr abwechslungsreiches Programm, allerlei Komponisten, auch stilistisch Sachen aus unterschiedlichen Ecken. Es ist wie eine kleine Weltreise über alle Kontinente, über Asien, den Indischen Ozean, Indonesien, Afrika, die USA, Europa, Osteuropa und Zentraleuropa. Und wie gesagt, Stücke die ich selbst arrangiert habe von Albéniz oder Bach und auch reine "Trommelliteratur" - so nenne ich das mal - die eins zu eins so komponiert wurde, wie ich sie auch spiele.

Wie kommen Sie auf Ihre Stücke? Suchen Sie die gezielt aus oder nehmen Sie ins Programm, was Sie mal irgendwo gehört haben und das Ihnen eben gefällt?

Es ist ein Mix. Man versucht, sich ein vielseitiges Repertoire anzueignen mit Stücken von Bach und Mozart, mit Stücken, die die Leute kennen, mit denen sie auch etwas verbinden. Ich schaue aber auch immer, was mir selbst gefällt, Musik, die mich bewegt und die ich gerne höre und die mir nahegeht. Dieses Gefühl versuche ich, dem Publikum mitzugeben. Für mich ist das Wichtigste, die Leute zu berühren und aus dem Alltag rauszuholen und sie mitzunehmen während des Konzerts auf eine kleine Reise, wo es auf andere Dinge ankommt als im Alltag: auf musikalische Ästhetik, etwas Besonderes zu erleben und einen Abend zu haben, den man so schnell nicht vergisst.

Macht es für Sie eigentlich noch einen Unterschied, ob Sie ihn München, in Dachau oder in den USA spielen?

Es ist auf alle Fälle immer schön, in der Heimat zu spielen und die vielen bekannten Gesichter zu sehen, das ist sehr familiär; ich studiere ja auch noch in München. Der Publikumscharakter ist weltweit auch unterschiedlich. In den USA habe ich ein anderes Programm als auf Mauritius, und das sieht auch wieder ganz anders aus als das, was ich in Dachau oder München spiele.

Inzwischen dürften Sie schon eine richtige Fanbase haben, die mit Ihnen reist.

Es ist zum Teil schon verwunderlich, wen man hier und dort alles wieder antrifft, aber es ist einfach superschön, zu sehen, dass Leute so einen weiten Weg auf sich nehmen, um dabei zu sein. Mein Vater hat, glaube ich, kaum ein einziges Konzert verpasst. Den habe ich aber auch aus Selbstzweck dabei, so oft es geht, weil er mich bei der Logistik unterstützt, für einen Schlagzeuger ist das unglaublich wichtig. Man braucht Hilfe bei Auf- und Abbau vor und nach dem Konzert, das ist ein ziemlicher Aufwand.

Wie sieht es inzwischen mit Christian Bennings Merchandising-Artikeln aus?

(Lacht.) Ich arbeite daran. Wir sind gerade dabei, eine CD aufzunehmen. Natürlich freue ich mich wahnsinnig, wenn Leute nach dem Konzert kommen und fragen, wann ich wieder spiele oder ob es Aufnahmen gibt, die man kaufen kann, das ist eine wunderbare Bestätigung. Da verspreche ich auf jeden Fall in Zukunft nachzuziehen.

Wann kommt die CD raus?

Wir sind noch am Planen und am Zusammenstellen der Nummern. Ich schätze mal, es dürfte jetzt noch ein gutes halbes Jahr dauern. Aber bis dahin bin ich sicher noch mal in München oder auch in Dachau zu hören.

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Quelle:
SZ vom 23.05.2019
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