Alle Standorte schließen:Überraschender Exitus

Alle Standorte schließen: Bürgermeister Marcel Fath sorgt sich um die medizinische Versorgung von Petershausen. Denn die Gemeinde wächst und braucht dringend Hausärzte.

Bürgermeister Marcel Fath sorgt sich um die medizinische Versorgung von Petershausen. Denn die Gemeinde wächst und braucht dringend Hausärzte.

(Foto: Toni Heigl)

Mit großen Vorschusslorbeeren ist der Praxisverbund "Consensus med" für Petershausen, Reichertshausen und Hohenkammer gestartet. Jetzt ist er am Ende. Die Unternehmerfamilie Trißler schweigt zu den Gründen

Von Petra Schafflik

Dachau - Hiobsbotschaft kurz vor Weihnachten: Der Verbund mit dem Titel "Consensus med", der seit 2014 in Petershausen, Reichertshausen und Hohenkammer drei Hausarzt-Praxen betreibt, steht vor dem Aus. Alle drei Standorte schließen Ende Januar 2017, die Mitarbeiter haben vor wenigen Tagen ihre Kündigung erhalten. Darüber informieren die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden in einer gemeinsamen Stellungnahme. Dabei hatte Gründer Friedrich Trißler im April 2014 in der Fachzeitschrift Allgemeinarzt-online für das Projekt geworben und es als " Blaupause für ganz Deutschland" bezeichnet. Es sei geeignet, wie erschrieb, die "Nachfolgeproblematik für Hausarztpraxen im ländlichen Raum" zu lösen.

Damals war der Praxisverbund, hinter dem die gesamte fränkische Familie Trißler steht, gestartet. Er rangierte bayernweit als Modellprojekt und erhielt deswegen vom Bayerischen Gesundheitsministerium 200 000 Euro als "Förderung innovativer medizinischer Konzepte." Zwei Jahre später erfolgt die abrupte Schließung. Über deren Gründe kann nur spekuliert werden. Denn die Unternehmerfamilie gibt keine Stellungnahme ab.

Aber für Petershausens Bürgermeister Marcel Fath (FW) geht es darum, die Arztsitze zu halten. "Die Versorgung der Patienten soll möglichst unterbrechungsfrei gewährleistet werden." Einen kleinen Lichtblick gibt es schon: Nach Informationen der Kassenärztlichen Vereinigung, so Fath, sei Consensus med verpflichtet, die Praxen noch bis Juli 2017 weiter zu führen. Faths wichtigstes Ziel ist es, eine langfristige Lösung zu finden: "Vielleicht mit einer Praxisgemeinschaft, um die Bürokratie für junge, niederlassungswillige Ärzte zu erleichtern."

Fest steht, dass Peterhausen, wo noch drei Hausärzte tätig sind, die medizinische Versorgung im bisherigen Umfang benötigt. "Wir sind eine wachsende Gemeinde." Umso wichtiger, dass die beiden Kassensitze von Consensus im Ort bleiben und rasch wieder besetzt werden. Das ist nicht selbstverständlich, weil Kassenzulassungen für einen Landkreis gelten. Deshalb besteht die Gefahr, "dass die Sitze bei einem Medizinischen Versorgungszentrum in Dachau oder anderswo im Landkreis landen", so Fath. Petershausen würde Ärzte verlieren. Die Bürgermeister-Kollegen aus Hohenkammer und Reichertshausen hätten mit ihm "ein gemeinsames Vorgehen abgestimmt".

Das Projekt lief vom Start weg nicht ohne Widersprüche. 2014 kauften die Trißlers in Petershausen, Hohenkammer und Reichertshausen Arztsitze, als dort jeweils Mediziner in den Ruhestand gingen. Unter dem Namen Consensus med wurde ein Praxisverbund gegründet, der mit angestellten Ärzten die Patienten betreuen sollte. Junge Mediziner sollten mit festen Arbeitszeiten und festem Gehalt als Hausärzte gewonnen werden.

Aber offenbar gefiel das Konzept mit wechselnden Ärzten nicht allen Patienten. Bereits kurz nach der Eröffnung drängten Petershausener in die drei klassischen Hausarztpraxen. Auch ist zu hören, dass die Consensus-Praxis im Ort nicht dauerhaft besetzt werden konnte und die Öffnungszeiten zu wünschen übrig ließen. Die Internetseiten aller drei Standorte sind bereits abgeschaltet.

Schon 2014 wurde heftig kritisiert, dass die Trißler-Familie ihr Konzept mit massiver staatlicher Förderung ausgerechnet in einer Region testen, wo es gar keinen Hausarzt-Mangel gibt. 70 Ärzte aus dem Umkreis liefen in einem Protestschreiben Sturm und beklagten Wettbewerbsverzerrung. Nun wird spekuliert, ob diese Gelder an eine Frist gebunden sind, die Ende des Jahres ausläuft. Doch das ist nicht der Fall, wie das Gesundheitsministerium der SZ mitteilt. Gefördert worden sei Consensus med von Oktober 2012 bis September 2015. Der Schlussbericht zum Modellprojekt, der dem Ministerium vorliege, so eine Sprecherin, werde gerade geprüft. Sollten "strukturelle Probleme" zur Praxisaufgabe geführt haben, würden diese in die Bewertung des Modells einbezogen. Eine Rückzahlung der Förderung wegen der Praxisaufgabe "ist damit nicht gegeben".

Dennoch schüttelt Petershausen Bürgermeister Marcel Fath den Kopf, dass "der Staat 200 000 Euro für ein unerprobtes Modell gegeben hat". In einer Region mit rückläufiger Bevölkerung und geringer Attraktivität für junge Ärzte sei das vielleicht noch vertretbar. "Aber wir sind nicht Franken, wir sind Ballungsraum." Genau deshalb ist Fath auch optimistisch, nun Ärzte für eine Niederlassung in Petershausen zu gewinnen.

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