Seit sich die politischen Rahmenbedingungen verändert haben, scheint sich auch der Wind bei den Bürgern im Landkreis Dachau gedreht zu haben. Herrschte bis vor einem Jahr noch überwiegend Skepsis vor, versammelten sich beim Infoabend des Arbeitskreises Windkraft Dachau so viele Neugierige im Gasthof Doll in Ried, dass in der Gaststube die Sitzplätze nicht mehr ausreichten. "Man merkt, das Thema Windkraft bewegt", sagte Ulrich Rauhut vom AK Windkraft bei seiner Begrüßung.
Der überparteiliche Verein besteht seit zwei Jahren und hat es sich zur Aufgabe gemacht, seriöse Informationen zum Thema Windkraft zusammenzutragen und auf seiner Homepage zu bündeln. Rauhut ist Initiator des Vereins und ehemaliger Grünen-Gemeinderat aus Röhrmoos. Für die erste Live-Veranstaltung habe man praxiserfahrene Experten eingeladen, die mithelfen sollen, der Lösung des Klimaproblems einen Schritt näherzukommen. "Es geht darum, die Windkraft im Landkreis zu gestalten", betonte Rauhut, "für eine lebenswerte Zukunft unserer Kinder und Enkel." Dass immer noch eine Menge sogenannter alternativer Fakten im Umlauf seien, sei auch kein Geheimnis: Erst vor Kurzem habe ihm der Betreiber des Windrads an der Ziegelei Hörl berichtet, dass sich Menschen über den Lärm der Anlage beschwert hätten, obwohl diese wegen Fledermäusen schon längere Zeit abgeschaltet war.
Der erste Referent des Abends, Werner Hillebrand-Hansen, beschrieb seine Erfahrungen als Vorstand der Bürger Energie Genossenschaft Freising. Die Genossenschaft besteht seit 2013, hat 1370 Mitglieder und betreibt unter anderem seit 2015 ein Bürger-Windrad in Kammerberg nahe Dachau. Es liefere zuverlässig Erträge "deutlich über der Prognose" von 6,2 Millionen Kilowattstunden, im Durchschnitt seien es sieben Millionen Kilowattstunden pro Jahr, so Hillebrand-Hansen. Nur 2020 habe es eine sechswöchige Reparaturpause gegeben, ansonsten laufe es so gut wie immer, wenn Wind weht. Die Messungen hätten ergeben, dass der größte Anteil des Stroms - 58 Prozent - nachts erzeugt werde. "Damit ergänzt sich das Windrad hervorragend mit unseren Bürger-Solaranlagen, die ja nur tagsüber Strom produzieren", so Hillebrand-Hansen. In Summe habe man so den geringsten Speicherbedarf. "Wir sind dabei, weitere Windenergieanlagen zu projektieren, die durch ihre Größe deutlich mehr Strom erzeugen können - bei gleichbleibenden Investitionen", sagte der Diplom-Ingenieur. Ein weiterer Vorteil der Windkraft sei der geringe Flächenbedarf: Im Vergleich zu einer Biogasanlage brauche das Windrad nur 0,3 Hektar.
Er sieht die Genossenschaft als Win-Win-Situation sowohl für die Gemeinde als auch für die Bürger: Letztere bekämen günstigeren Strom, sofern sie in einem Umkreis von zwei Kilometern der Anlage wohnen, außerdem gebe es Dividenden und Zinsen aus der direkten Beteiligung. Die Gemeinde profitiere vom Ertrag sowie über die Gewerbesteuer.
"Es gab ein paar Skeptiker, aber die meisten standen und stehen dahinter"
Ein anderes Modell, bei der die Gemeinde als Betreiber fungiert, stellte Martin Seitz, der Bürgermeister von Gerolsbach, vor: Seine Gemeinde im Landkreis Pfaffenhofen habe schon im Jahr 2008 ein Kommunalunternehmen gegründet mit dem Zweck, den Ausbau der Erneuerbaren Energie zu fördern. Alle kommunalen Dächer wurden mit Photovoltaikanlagen ausgestattet, "mit diesen Einnahmen zahlen wir unser neues Rathaus ab", sagte Seitz. Seit 2012 reifte der Gedanke, durch Windkraftanlagen ein weiteres Standbein im gemeindlichen Strommix aufzubauen. Man habe sich frühzeitig Flächen gesichert, Partner für drei Windräder gesucht und 2015 die Anlage im Staatsforst bauen können. "Es gab ein paar Skeptiker, aber die meisten standen und stehen dahinter", so Seitz. Mittlerweile decke die Stromerzeugung den Jahresbedarf von 4600 Haushalten. Der Ertrag sei vor allem im letzten Jahr so exorbitant hoch gewesen, dass man davon 2024 einen Kindergarten bauen werde. Seitz plädierte dafür, sich die Rolle des Betreibers nicht von einem externen Investor abjagen zu lassen.
Dem stimmte auch Helmut Zech, Bürgermeister von Pfaffenhofen an der Glonn, zu. Er warnte aber auch davor, sich nun von einer Goldgräberstimmung leiten zu lassen. "Dafür sind die Investitionen zu hoch und die Erträge zu gering", außerdem dauerten die Genehmigungsverfahren mindestens drei Jahre, das käme erschwerend hinzu. Zech weiß, wovon er spricht: Seine Gemeinde befindet sich seit geraumer Zeit im Genehmigungsverfahren für fünf Windkraftanlagen.
Schandfleck in der Landschaft oder notwendiges Übel?
Bei der anschließenden Fragerunde äußerte sich nur eine Zuhörerin ablehnend, weil Windräder ein Schandfleck in der Landschaft seien. Zech gab ihr recht, aber für ihn seien die Kolosse ein notwendiges Übel. Die übrigen Zuhörer interessierte die Menge der CO₂-Einsparung - laut Seitz 8500 Tonnen pro Jahr -, die Höhe der Vergütung - laut Hillebrand-Hansen aktuell circa sechs Cent pro Kilowattstunde -, und die Möglichkeiten der Speicherung. Hier konnte der Bürgermeister von Altomünster, Michael Reiter, seines Zeichens auch Energieberater, Auskunft geben: Er prüfe die Möglichkeit, mit der in der Gemeinde erzeugten überschüssigen Energie eine große Wärmepumpe anzutreiben und so Wärme zu erzeugen.