Süddeutsche Zeitung

Ärzte sind skeptisch:Und noch ein Gesetz

Die Neuregelung der Terminvergabe erleichtert den Ärzten im Landkreis die Arbeit nicht, sondern erschwert sie

Von Julia Putzger, Dachau

Schnellere Termine und mehr Sprechstunden, das verspricht das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) initiierte und das Mitte Mai diesen Jahres in Kraft trat. Es soll auch die medizinische Versorgung in ländlichen Gebieten verbessern. Was sich nach einer Erleichterung für Patienten anhört, macht jedoch den Ärzten das Leben schwer. Die neue Regelung verkompliziere und verursache nur Kosten, klagen die Ärzte im Landkreis Dachau, die in dieser Frage zuvor überhaupt kein Problem ausgemacht hatten.

Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Terminservicestellen anfragenden Patienten Termine bei niedergelassenen Fachärzten vermitteln. Dadurch sollen Wartezeiten auf Termine verkürzt werden, da etwa bestimmte Fristen eingehalten werden müssen. Die Ärzte sind deshalb auch dazu verpflichtet, ihr Mindestsprechstundenangebot zu erhöhen. Die Terminservicestellen müssen in jedem Bundesland von der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung eingerichtet werden.

Doch selbst die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) erachtet diese Maßnahme als wenig sinnvoll - besonders in Hinblick auf das immer ernster werdende Problem des Landärztemangels: "Wichtig ist es vor allem, den Arbeitsalltag der Ärzte in den Praxen zu erleichtern. Das genaue Gegenteil erreicht der Bundesgesundheitsminister mit seinen immer neuen Gesetzen", erklärt Martin Eulitz, Pressesprecher der KVB. Das neue Gesetz stelle einen starken Eingriff in den Praxisalltag dar, während es doch eigentlich wichtiger wäre, den Ärzten mehr Freiräume zu geben und sie von überbordender Bürokratie zu entlasten. Dementsprechend habe die Regelung für viel Unmut unter den niedergelassenen Ärzten gesorgt.

Das bestätigt Hans-Ulrich Braun, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands Dachau. Er arbeitet als Internist in einer Gemeinschaftspraxis in Karlsfeld und erzählt aus eigener Erfahrung: "Termine für dringliche Untersuchungen wurden bisher einfach von uns Ärzten auf dem kleinen Dienstweg geklärt." Auch Albrecht Roß, Bezirksdelegierter des Bayerischen Hausärzteverbandes und Hausarzt in Hilgertshausen-Tandern, stimmt dem zu: "Akut bekommt man immer einen Termin, das war bisher noch nie ein Problem. Da setze ich mich einfach schnell ans Telefon und kläre das selbst ab."

Das neue Gesetz verursache nun vor allem Kosten, die Versorgung werde dadurch aber nicht verbessert. Stattdessen hätten die Ärzte weniger Zeit für ihre Patienten, die wiederum ihre Termine nicht wahrnehmen würden: "Die Leute bekommen einen Termin bei einem Arzt, zu dem sie vielleicht gar nicht hinwollen, weil er zum Beispiel weiter weg ist. Dann tauchen sie einfach nicht auf, aber der Arzt hat diesen Termin natürlich trotzdem eingeplant und dann entsteht eine Lücke", sagt Albrecht Roß der SZ. Um also sowohl Ärzten als auch Patienten zu helfen, wäre es Braun zufolge sinnvoller, das Geld in die Bezahlung zusätzlicher Ärzte zu investieren. Dafür mangle es jedoch auch an Zulassungen, denn in als medizinisch "überversorgt" geltenden Gebieten - wie etwa dem Landkreis Dachau - ist es Ärzten nur sehr schwer möglich, eine eigene Praxis zu eröffnen. Genau das aber ist das Hauptproblem der medizinischen Versorgung im Dachauer Land: Die Mehrzahl der Arztpraxen konzentriert sich auf Dachau und Karlsfeld - in den nördlichen Landgemeinden fehlt es dagegen an Hausärzten.

Albrecht Roß wünscht sich vor allem eine Förderung der sogenannten hausarztzentrierten Versorgung. Werde der Hausarzt als erster Ansprechpartner gesehen und dementsprechend wertgeschätzt, könnte er viele Probleme bereits "an der Basis lösen."

Das würde vor allem die Fachärzte entlasten, da viele Patienten derzeit "ungezielt irgendwohin gehen", sagt Roß. Die KVB berichtet indes von einer wesentlich erfolgreicheren Maßnahme, um Patienten besser versorgen zu können und den Ärzten zu helfen. Die Neuregelung des Bereitschaftsdienstes habe die Belastung der einzelnen Ärzte deutlich verringert.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2019
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