Süddeutsche Zeitung

ADFC-Fahrradklima-Test:Mehr Platz für Fahrradfahrer

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Im bundesweiten Fahrradklima-Test des Verkehrsclubs ADFC schneidet Dachau genauso schlecht ab wie die meisten anderer Städte in dieser Größenordnung. Besonders stören die Radler in Dachau die sehr engen Wege und die ungerechten Ampelschaltungen

Von Viktoria Großmann, Dachau

Radfahrer müssen in Dachau leidensfähig und risikobereit sein. Ihre Größe macht die Stadt eigentlich zur idealen Radfahrerstadt. Wenn nur die Infrastruktur für Radfahrer besser wäre. Den Altstadtberg kann keiner flach drücken, aber bessere oder überhaupt Radwege wären hilfreich. Die zu schmalen Wege sind ein Hauptkritikpunkt in der Studie des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Dieser hat seinen Fahrradklima-Test in 683 deutschen Städten gemacht. Dachau liegt mit einer Schulnote 4 für ausreichend im deutschen Durchschnitt. Anders gesagt: Fast alle Städte schneiden gleichermaßen schlecht ab. Die Studie des ADFC beruht auf der Auswertung von umfangreichen Fragebögen, die im vergangenen Jahr von bundesweit etwa 170 000 Menschen ausgefüllt wurden. In Dachau haben 143 Fahrradfahrer die Fragen beantwortet.

Für Michael Kraus vom Dachauer ADFC, dessen Kreisverband immerhin 300 Mitglieder hat, stützt die Umfrage zwei wesentliche Forderungen: "Wir wollen durchgehende Radwege und Gleichberechtigung an den Ampeln." An zu vielen Stellen hörten Radwege und Schutzstreifen einfach auf, kritisiert er. Die Art der Radwege, die häufig zu schmal sind, nervte auch die Teilnehmer der Umfrage. Ebenso wie Ampelschaltungen. Die ärgern auch Michael Kraus massiv. "Die Drückampeln für Radfahrer und Fußgänger gehören abgeschafft." Das nütze einseitig nur dem Autoverkehr. Andere Verkehrsteilnehmer sollen dieselben Chancen haben, über die Kreuzung zu kommen. Dazu gehört auch, dass Radfahrer etwas länger Grünlicht bekommen als Fußgänger, weil sie einfach schneller sind.

"Der Straßenraum muss gerecht aufgeteilt werden", sagt Bernhard Sturm, Stadtrat vom Bündnis für Dachau. Das sei eine Grundvoraussetzung für eine Verbesserung im Radverkehr. Ein "verträglicher Mischverkehr", wie Sturm sagt, ist für das Bündnis ein Ziel für das Radverkehrskonzept der Stadt, das derzeit noch ausgearbeitet wird. Dazu gehören für Sturm benutzungspflichtige Radwege und Radfahrstreifen, die den Richtlinien entsprechen. In den vergangenen Monaten hatte die Stadtverwaltung einige neue Schutzstreifen markiert - Verbesserungen, die Sturm und Kraus wie auch die Teilnehmer der ADFC-Umfrage honorieren.

Zuletzt hatte die CSU eine frühere Idee anderer Fraktionen neu aufgegriffen und beantragt, Einbahnregelungen zu prüfen. Etwa für die Martin-Huber-Straße. Dort haben an einigen Stellen schon Fußgänger kaum Platz und dann fahren noch die Radfahrer auf dem Bürgersteig. Platz für alle, so sieht das auch ADFC-Mitglied Kraus, kann in der Huber-Straße nur geschaffen werden, indem entweder der Parkstreifen oder eine Fahrspur entfernt wird.

Weniger Stellflächen für Autos oder zumindest eine Verlagerung sind aus Sicht von Stadtrat Sturm ein notwendiger Schritt. "Im Stadtrat haben wir uns geeinigt, dass die Leute immer nur etwa 300 Meter von der nächsten Bushaltestelle entfernt sind - da kann man ihnen auch einen Weg von 200 Metern zum eigenen Auto zumuten." Das Bündnis möchte am liebsten planmäßig Schritt für Schritt Parkplätze im gesamten Stadtraum abschaffen. Ein entsprechender Antrag erhielt allerdings im vergangenen Jahr keine Mehrheit. Er erschien den anderen Fraktionen als zu dogmatisch.

Gleichzeitig, sagt Sturm, fehlten aber Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Diese sollen stabil stehen, ohne sich mit anderen zu verheddern. Und sie müssen sicher angekettet werden können, am besten gibt es eine Überdachung. Das ist mit dem Fahrradparkhaus am Bahnhof gelungen. Das sei aber für Radler, die von Westen kommen, schwer zu erreichen, sagt Michael Kraus. Alle drei Unterführungen seien für Radfahrer schwierig. Am Bahnhof reicht der Platz nicht für Radler, sie müssen ihr Fahrrad auf die andere Seite schieben. Die Unterführungen an der Schleißheimer und der Augustenfelder Straße seien bei Radfahrern nicht beliebt. "Sie sind sehr eng", sagt Kraus - und daher gefährlich. Auch der Einzelhandel müsse mehr an seine Kunden denken, die mit dem Fahrrad kommen. "Wir müssen die Stellplatzsatzung ändern", sagt Stadtrat Sturm. Eine Forderung mehrerer Fraktionen, nur dass vielleicht jeder andere Vorstellungen hat. Sturm will erreichen, dass - angepasst je nach Stadtteil - Bauherren auch Stellplätze für Fahrräder, nicht nur für Autos schaffen müssen.

Was hinter allen Forderungen steht, ist der große Wunsch nach einem allgemeinen Umdenken. Das Bündnis setzt sich daher auch ein für "permanente Aufklärung und Marketing", damit sich alle Verkehrsteilnehmer besser verstehen. Denn natürlich gibt es auch viele Radfahrer, die sich nicht an die Straßenverkehrsordnung halten. Sturm glaubt, das könne sich ändern, wenn die Radfahrer eine gleichberechtigte Infrastruktur aus Wegen und Ampeln bekämen und dadurch ernst genommen würden.

Ein grundsätzliches Problem, sagt Sturm, liege jedoch in der Straßenverkehrsordnung und damit beim Bund in Berlin. Die Städte können Fahrradparkhäuser bauen oder eine Stellplatzsatzung schaffen. Doch es fehlten - anders als für den Bau von Autostraßen - verbindliche, gesetzliche Vorgaben für den Bau von Radwegen. "Es ist schwieriger, einen Schutzstreifen anzulegen als einen Parkplatz." Und damit, sagt Sturm, blieben Maßnahmen für den Radverkehr letztlich freiwillig und auch etwas beliebig.

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Quelle:
SZ vom 20.04.2019
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