Im Juli 2022 wurde die fünfköpfige Karlsfelder Familie Esiovwa mittellos am Flughafen in Lagos ausgesetzt, seitdem lebt sie wieder in Nigeria. Schülerinnen und Schüler der Mittelschule Karlsfeld hatten nach der Abschiebung eine Petition für die Familie ihrer Mitschülerin gestartet. 1475 Menschen unterschrieben den Aufruf „Holt Stefanie zurück!“. Der Bayerische Flüchtlingsrat sammelt Spenden für die Familie, von denen Miete, Schulgebühren, Medikamente und Nahrung bezahlt werden. Bislang sind rund 23 000 Euro auf der Seite www.betterplace.org/de/projects/111557 zusammen gekommen. Vater Nicholas Esiovwa kann weiterhin krankheitsbedingt nicht arbeiten. In Deutschland war er mehrere Jahre bei einem Hotel in Ottobrunn angestellt gewesen, bis ihm die Dachauer Ausländerbehörde seine Arbeitserlaubnis entzog.
Ein Jahr nach der Abschiebung verklagten die Esiovwas das Dachauer Landratsamt gemeinsam mit der Organisation „Frag den Staat“ auf Herausgabe der Akten zur Abschiebenacht. Bislang hält das Amt die genauen Umstände jenes 12. Julis 2022 unter Verschluss und beruft sich auf Geheimhaltungspflichten. Ob etwa die Reisefähigkeit der Abgeschobenen amtsärztlich untersucht wurde, bleibt so im Dunkeln. Die Klage ist immer noch anhängig beim Verwaltungsgericht. Anwalt Andreas Eibelshäuser hat die Klageschrift ausgearbeitet und sagt: „Die jeweiligen Stellen in Bayern sind sich sehr uneinig, ob die Verweigerung der Akteneinsicht rechtmäßig ist oder nicht.“
Vor allem das Landesamt für Asyl und Rückführungen blockiere die Aktenherausgabe, so Eibelshäuser. Martin Modlinger von der Seebrücke Dachau sagt dazu: „Ich glaube weiterhin, dass die rechtliche Klärung der konkreten Abschiebung in der Nacht die größten Chancen für die Familie bietet, diese unsägliche Abschiebung doch noch gerichtlich anzugehen.“ Es sei jedoch eine „sehr ferne Chance“.
Das Dachauer Landratsamt begründete die Abschiebung wiederholt damit, dass die Familie ausreisepflichtig gewesen sei. Einen geplanten Antrag bei der Härtefallkommission des Freistaats hatten Unterstützer zum Abschiebezeitpunkt noch nicht eingereicht. 2021 wurden 20 Menschen aus Dachau abgeschoben, 2022 war Dachau der einzige Landkreis rund um München, der Kinder abschob.
Psychologin Julie Richardson hält weiterhin Kontakt zur Familie in Nigeria
Im Jahr 2024 gab es bislang keine Abschiebungen aus Dachau in der Verantwortung des Landratsamtes. Es gab jedoch zehn sogenannte „freiwillige Ausreisen“ von Menschen, die in ihre Herkunftsländer zurückkehrten, unter anderem nach Jordanien, Albanien, Georgien und Jemen.
Die Psychologin Julie Richardson, die für den Kinderschutz München den damals zehnjährigen Gabriel betreute, hält weiterhin Kontakt zur Familie in Nigeria. „Mein Ziel ist es, die Kinder der Esiovwas so lange zu unterstützen, bis sie ihre Ausbildungen abgeschlossen haben und so hoffentlich eines Tages mit einem Arbeitsvisum nach Deutschland zurückkehren können.“ Besonders für die 14-jährige Stefanie, deren hervorragende Zeugnisse sie gesehen habe und die fließend Deutsch spricht, hofft Richardson auf eine Arbeitsmöglichkeit in Deutschland, etwa im Gesundheitswesen.