Abgeblasen:In Markt Indersdorf wird es in absehbarer Zeit kein Windrad geben

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Der Gemeinderat lehnt es ab, die 10-H-Abstandsregel auszuhebeln. Er befürchtet hohe Risiken und Widerstand von Bürgern

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Im Gemeindegebiet von Markt Indersdorf wird es in nächster Zukunft kein Windrad geben. Der Gemeinderat lehnte mit großer Mehrheit am Mittwoch einen Antrag der SPD-Fraktion ab, Planungen für eine Anlage zwischen den Ortsteilen Langenpettenbach und Wagenried einzuleiten. Betreiber des Windrads sollte die Bürgerenergiegenossenschaft Freisinger Land sein. Um die Anlage errichten zu können, müsste der Flächennutzungsplan geändert und ein Bebauungsplan für die Nutzung der Windkraft aufgestellt werden. Außerdem schlug die SPD vor, die Bürger über das Projekt abstimmen zu lassen. CSU und Freie Wähler lehnen es aber ab, die 10-H-Regel auszuhebeln. Demnach muss der Abstand zur nächsten Wohnbebauung mindestens das Zehnfache der Höhe des Windrads betragen - also in der Regel zwei Kilometer. Das Risiko anderer Planungen sei für die Gemeinde zu groß. Außerdem befürchten viele Gemeinderäte einen massiven Widerstand der betroffenen Bürger.

Die 10-H-Regel machte die Pläne zur Makulatur

Der Landkreis stellte vor einigen Jahren einen Teilflächennutzungsplan für Windkraftanlagen auf. Dieser sah Abstände zu geschlossenen Wohngebieten von 900 Metern vor. Die 10-H-Regel machte die Pläne zur Makulatur; alle Gemeinden im Landkreis stellten sie ein. Im Indersdorfer Gemeindegebiet waren Flächen im Norden und Süden vorgesehen. Das Windrad, das die Freisinger Bürgerenergiegenossenschaft errichten will, liegt im Norden bei Wagenried. Wirtschaftliche Gesichtspunkten spielten für die Standorte zunächst keine Rolle. SPD-Gemeinderat und Zweiter Bürgermeister Hubert Böck erinnerten daran, dass der Gemeinderat im September 2016 den Beschluss fasste, alternative Energien weiterhin zu verfolgen. Wenn es einen ernsthaften Interessenten gebe, werde sich die Gemeinde mit einer Planung befassen. Einen solchen sieht Böck in der Freisinger Genossenschaft. Sie braucht aber die Zusage der Gemeinde, dass die Kommune den Flächennutzungsplan ändert und einen Bebauungsplan für das Windrad aufstellt. Das ist nötig, weil der Abstand zum nächsten Wohngebiet wesentlich weniger als zwei Kilometer beträgt und damit die 10-H-Regel nicht eingehalten wird. Die Flächen für die Anlage, so die Genossenschaft, sollte die Gemeinde vor Beginn der Planungen sicherstellen. Danach könnten die Bürger über das Projekt abstimmen.

Ein Windrad, 800 Meter entfernt vom Indersdorfer Ortsteil Wagenried? Nein, sagt der Indersdorfer Gemeinderat. (Foto: Toni Heigl)

Die Verwaltung sieht dieses Vorgehen äußerst skeptisch. Der gesetzlich vorgegebene Schutz der Bevölkerung werde aufgegeben, die Planung sei zeitaufwendig und kompliziert. Kritisch sieht die Verwaltung auch, dass als Betreiber nur die Freisinger Genossenschaft vorgesehen ist. Durch die Sicherung der Flächen müsste die Gemeinde ein großes Risiko tragen, das eigentlich beim Betreiber liegen sollte. Zu bedenken gibt die Verwaltung auch, dass mit Widerstand von Bürgern zu rechnen sei.

Ein Überschuss an Öko-Strom

Das befürchten auch viele Gemeinderäte. "Mit dieser Planung würden wir die Bürger schlechter stellen als mit der 10-H-Regel", warnte Helmut Ebert von den Freien Wählern. Es sei nicht Aufgabe der Gemeinde, die Flächen sicherzustellen. Und ein Bürgerentscheid sei ebenfalls problematisch. "Wenn die Mehrheit der Bürger, die im Hauptort wohnen, dem Windrad zustimmt, sind die direkt Betroffenen im Außenbereich die Gelackmeierten." Hans Lachner (CSU) verteidigte die 10-H-Regel, weil sie der einzige Bürgerschutz sei. "Wer ein Windrad 600 oder 800 Meter vor der Nase hat, dessen Immobilie verliert deutlich an Wert." Es gebe ohnehin einen Überschuss an Öko-Strom, der in Zeiten der Spitzenproduktion verschenkt werden müsse.

"Wir unterschreiten hier den Abstand, der laut Gesetz das Zehnfache der Höhe des Windrads betragen muss", betont Indersdorfs Bürgermeister Franz Obesser (CSU). Windräder sollten nicht zu nahe an einer Wohnbebauung stehen. Foto: Heigl

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(Foto: DAH)

SPD-Gemeinderat und Zweiter Bürgermeister Hubert Böck ist von der Energieausbeute eines Windrads bei Kammerberg im Landkreis Freising beeindruckt. Er glaubt, dass auch Flächen in Indersdorf für die Windkraft geeignet sind. Foto: Jørgensen

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(Foto: privat)

Gemeinderat Hans Lachner (CSU) sieht keinen Grund, die 10-H-Regel zu unterlaufen. Auch er steht hinter der Energiewende, kritisiert aber einen Überschuss an Ökostrom. "Wir wissen doch gar nicht wohin damit." Foto: CSU

Grundsätzliche Bedenken hat auch Philipp Blumenschein (CSU). Die vorgeschlagene Planung berge zu viele Risiken. Hunderttausende Euro könnten verbrannt werden. Die Vergütung des eingespeisten Stroms habe sich komplett "umgedreht", Leistungen müssten ausgeschrieben und ersteigert werden, teure Gutachten mit sechsstelligen Kosten sind nötig. Blumenschein: "In ganz Bayern gibt es derzeit aus diesem Grund keine Planungen." Es sei von vornherein klar, dass viele Bürger dagegen sind, warnte Olaf Schellenberger (CSU). Jetzt sei nicht der Zeitpunkt, in die Windkraft einzusteigen, sagte Manfred Pohl (Freie Wähler). Erst müsse man das Problem lösen, den Strom zu speichern. "Ich fühle mich von Windrädern nicht bedroht, und die Anlagen zerstören die Landschaft nicht", warf Martina Tschirge in die Debatte. Das sieht auch Hans Wessner von der Gruppe Um(welt)denken so. "Umgehungsstraßen vor der Haustür sind wesentlich schlimmer." Der Gemeinderat lehnte mit 14 zu sechs Stimmen die Planungen für ein Windrad ab.

© SZ vom 24.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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