Auszeichnung:"Wir sind ein kleines Volk und brauchen Freunde"

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Ilse Aigner (links), Präsidentin des bayerischen Landtags, verleiht den Bayerischen Verfassungsorden in Gold an Abba Naor. (Foto: Rolf Poss/Bildarchiv Bayerischer Landtag)

Abba Naor erhält den Bayerischen Verfassungsorden. Bei der Verleihung erklärt er, warum er unermüdlich Schulen besucht.

Von Anna Schwarz, Dachau

Als Erster überhaupt ist der Shoah-Überlebende Abba Naor am Mittwoch mit dem neuen Verfassungsorden des Bayerischen Landtags ausgezeichnet worden. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) ehrte den 93-Jährigen in feierlichem Rahmen in Anwesenheit von Israels Generalkonsulin Carmela Shamir, dem Landtagsvizepräsidenten und Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller, sowie dem Präsidium. Der Orden wird ab jetzt jährlich an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verliehen, die "sich in besonderer Weise um die Verwirklichung der Grundsätze der Bayerischen Verfassung verdient gemacht haben".

Als Vorstand des internationalen Dachau-Komitees (CID) und seit 2017 als Vizepräsident und setzt er sich für die Errichtung von Mahnmalen entlang der Strecke des Todesmarsches durch Bayern ein. Dem Rat der Stiftung Bayerische Gedenkstätten gehört er seit 2015 als ordentliches Mitglied an. Geehrt wurde Abba Naor für "mehr als 30 Jahre Engagement um die Erinnerung, für seine aktive Zeitzeugenschaft und seinen Einsatz um die deutsch-israelische Freundschaft".

"Es ist mir ein großes Bedürfnis, Kinder und Jugendliche aufzuklären"

Als Holocaust-Überlebender berichtet Naor regelmäßig an bayerischen Schulen über seine Verfolgung während des Nationalsozialismus. Er ist Mitinitiator des Schüleraustausches von deutschen und israelischen Kindern und Jugendlichen und organisiert Gedenkfahrten von KZ-Überlebenden und ihren Angehörigen aus Israel nach Deutschland. Selbst in diesem Pandemiejahr nahm Naor etwa 70 Präsenz- und 28 Online-Termine an Schulen wahr. Naor erklärte bei seiner Danksagung: "Es ist mir ein großes Bedürfnis, Kinder und Jugendliche aufzuklären und dabei zu unterstützen, sich aufs Leben vorzubereiten. Ich möchte erreichen, dass sie nicht falschen Propheten folgen und versuche, ihre Sympathie für Israel zu wecken. Wir sind ein kleines Volk und brauchen Freunde. Gerade in der jetzigen Zeit, in der der Antisemitismus in Deutschland und weltweit in einer Weise erstarkt, wie ich es mir niemals hätte vorstellen können."

Als Dreizehnjähriger wurde Naor mit seiner Familie in das jüdische Ghetto im litauischen Kaunas deportiert. Sein älterer Bruder wurde beim Versuch, Nahrung zu organisieren, verhaftet und anschließend erschossen. Seine Mutter und seinen jüngeren Bruder sah er das letzte Mal im KZ Stutthof, wohin die Familie 1944 deportiert wurde. Beide starben in den Gaskammern des KZ Auschwitz. Naor und sein Vater brachte die SS in den KZ-Außenlagerkomplex Landsberg/Kaufering, einem Netz von Außenlagern des KZ Dachau. Im KZ-Außenlager Kaufering X bei Utting am Ammersee und anschließend im Lager Kaufering I in Landsberg musste er schwerste Zwangsarbeit leisten. Im Frühjahr 1945 überlebte er den Todesmarsch. In Waakirchen wurde er von der US-Armee befreit und emigrierte später nach Israel. 2009 erhielt Abba Naor bereits das Bundesverdienstkreuz, 2018 den Bayerischen Verdienstorden.

© SZ vom 09.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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