60 Jahre Fotoclub :Die letzten Seher

Der Fotoclub Dachau wird 60 Jahre alt. Hier wird noch richtig fotografiert, nicht nur geknipst. Doch Nachwuchs gibt es kaum

Von Lina Brückner, Dachau

Ein Klick hier, ein Bild dort. Nie war es einfacher, auf die Schnelle viele Fotos zu machen und den Augenblick zu dokumentieren. Vermehrt geht der Bilderwahn sogar so weit, dass der Fotografierende die Welt nur noch durch das Display seines Handys erlebt - auf der Jagd nach den meisten Likes. Doch das Problem dieser Fotografie: Die Situation wird nur festgehalten, ohne sich wirklich mit ihr auseinanderzusetzen. "Die Fotokunst geht dabei verloren", sagt Jörg Krause, der seit Februar Vorsitzender des Dachauer Fotoclubs ist. In diesem Monat feiert der Verein sein 60. Jubiläum - und blickt dabei zugleich in eine schwierige Zukunft.

Im Jahr 1959 wurde der heutige Club als Schmalfilm- und Fotoclub gegründet, wobei der Fokus auf dem Filmen lag. Anfangs versuchten die Gründungsmitglieder bei einem Faschingsball, mit einer ausgeliehenen 16-Millimeter-Kamera zu filmen. Dann habe sich aber herausgestellt, dass in der Kamera kein Film eingelegt war, erzählt Krause. Bevor das Hauptaugenmerk des Clubs vom Film zum Foto wechselte, wurden unter anderem die ersten Videokameras getestet. In den 1970er-Jahren wechselte man auf qualitative Mittelformatkameras, die auch heute noch von professionellen Fotografen eingesetzt werden. Anschließend begannen einige Mitglieder, sich auf einzelne Themen zu spezialisieren, zunächst auf die Mode- und die Unterwasserfotografie. In den Anfangsjahren war an die technischen Möglichkeiten von heute noch gar nicht zu denken. Doch im Jahr 2002 begannen die Mitglieder des Clubs zur Digitalfotografie überzugehen. Heute gibt es laut Krause noch genau einen Fotografen im Club, der der analogen Kamera treu geblieben ist.

Fotoclub

Jörg Krause bereitet den regionalen Fotowettbewerb vor.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Mitglieder sind allesamt Foto-Liebhaber, keine Profis, überwiegend aus dem Landkreis Dachau. Der Vorteil daran, sich mit Gleichgesinnten im Fotoclub zusammenzuschließen, bestehe in der ausgiebigen Diskussion, die unter den Hobbyfotografen aufkomme, erklärt Krause. Zunächst denke jeder, er mache das Beste, doch im Austausch mit anderen merke man: "Hoppla, da gibt es Leute, die machen das ganz anders." Das geschehe auch bei Wettbewerben. Diese veranstaltet der Fotoclub entweder selbst, wie dieses Jahr den Regio 2019, oder er macht als Teilnehmer mit. Untereinander grenzen sich die Fotovereinigungen durch ihre Ideen und ihre unterschiedlichen Philosophien voneinander ab, wie der Vorsitzende erklärt. Der Dachauer Verein zeichne sich dadurch aus, dass "eine Handvoll Leute" Wettbewerbsfotografie machten und der Rest einfach "gerne und gut fotografiert".

Die Wettbewerbe dienten auch dazu, sich gegenseitig zu bestärken. Denn die lokalen Fotoclubs stehen alle vor der selben Herausforderung: "Die Mitglieder sterben weg, das klingt brutal, aber es ist eben so", schildert Jörg Krause die aktuelle Situation. "Das ist ein Generationenproblem." Der Altersdurchschnitt sei sehr hoch, wirklich junge Menschen gebe es im Verein nicht. Der Grund ist für den Vorsitzenden eindeutig: "Heute fotografiert man eben alles mit dem Handy". Deswegen sieht Krause auch keine echte Zukunft für das Fotografieren mit der Kamera abseits von professionellen Fotografen. Obwohl der Fotoclub mit der Volkshochschule oder dem Josef-Effner-Gymnasium kooperiert habe, hätten sich bislang kaum Interessenten gemeldet. Aufgeben will Jörg Krause trotzdem nicht. Deswegen lädt er jeden an Fotografie Interessierten dazu ein, sich den Verein doch einmal anzuschauen: "Wenn die generelle Begeisterung da ist, kann man auch die jungen Leute kriegen."

Ausgespielt

Zu den Preisträgern gehört Corinna Eichberger-Renneisen mit ihrem Teddy-Bild.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Um nach 200 Jahren Fotografiegeschichte noch neue Motive zu finden, sei es vor allem wichtig, sich neue Themen zu setzen, sagt Krause. "Dann gehen die Motive nicht aus" - höchstens die Ideen, wie man die Situation darstellt. Er selbst fotografiere am liebsten auf Reisen, doch der Fotoclub ist thematisch breit aufgestellt. Die Mitglieder organisieren sich in einzelnen Arbeitsgruppen, in denen sie zusammen Porträts, Landschaft und Natur sowie Action-Ereignisse, wie kürzlich ein Football-Spiel, oder den Nachthimmel fotografieren. Aber die Tendenz der Bilder ändere sich fortlaufend. "Insgesamt ist alles bunter und poppiger geworden", sagt Krause. Trotzdem sei es wegen der alltäglichen Bilderflut schwer, als regionaler Club überhaupt wahrgenommen zu werden.

Woran man im Bilderwahnsinn erkennt, was ein gutes Foto ausmacht? Zunächst komme es auf die Technik und bestimmte Gestaltungskriterien an, erklärt Krause. Man müsse sich vom reinen Abbilden lösen und das Foto in einem größeren Rahmen denken. So wie er, wenn er Kunst fotografiert: "Wenn ich nur das Kunstwerk im Bild festhalte, habe ich es lediglich abgebildet." Nur wenn es gelinge, das Werk in einen anderen Zusammenhang zu setzen, entstehe echte Fotokunst. "Ein Schnappschuss reicht heute meistens nicht mehr aus."

Die Siegerbilder des regionalen Fotowettbewerbs Regio 2019 werden am Samstag, 16. November, und Sonntag, 17. November, jeweils von 11 bis 18 Uhr in der Kulturschranne ausgestellt. Am Montag, 18. November, findet um 19.30 Uhr die Eröffnungsfeier zur Jubiläumsausstellung des Clubs statt. Danach ist die Ausstellung bis Mittwoch, 20. November, täglich von 11 bis 18 Uhr zu sehen.

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