Süddeutsche Zeitung

10 Jahre Kabarett in Schwabhausen:Eine Sauwut

Die beiden diesjährigen Stars des Bayerischen Kabarettpreises begeistern auf den Kleinkunstbühnen in Schwabhausen und Dachau. Helmut Schleich feiert das 30. Jubiläum des Leierkastens - und Lisa Fitz das Zehnjährige der Post von Heinrich Kellerer.

Von Julian Erbersdobler und Renate Zauscher, Dachau/Schwabhausen

30 Jahre Kleinkunstbühne Leierkasten Dachau. Und zehn Jahre Kabarett in Schwabhausen. Dazu zwei Stars der Szene, die dieses Jahr den Bayerischen Kabarett-Hauptpreis und den für das Lebenswerk bekommen haben. Die Gastspiele von Helmut Schleich in Dachau am Freitagabend im ausverkauften Ludwig-Thoma-Haus und von Lisa Fitz am Samstagabend im Gasthof zur Post von Heinrich Kellerer zogen, ohne Übertreibung gesagt, die Massen an - und die Prominenz. Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann, mit 28 Jahren der jüngste Deutschlands, ist sozusagen mit dem Leierkasten aufgewachsen.

"I bin da Franz Josef und da war i dahoam.

Helmut Schleich ist nicht zufällig ausgezeichnet worden. 28 Jahre nach seinem Debüt in Dachau gehört er zu den Großen. Sein Auftritt war auch eine Reminiszenz an die eigenen Anfänge. Er scheut sich nicht, den Sender zu kritisieren, der seine eigene Sendung im Fernsehen ausstrahlt: den Bayerischen Rundfunk. Als Franz Josef Strauß dürfe er sowieso alles, "ich war der Boss". Dahoam ist für ihn aber nicht mehr dahoam. Das liegt an der "neuen" CSU. Und am BR. Der Sender berichte nur noch über ausgestorbene Berufe, unverständliche Dialekte und einen Koch, der "Weißwürscht" paniert. Strauß rückt seine Brille zurecht, beugt sich über das Rednerpult, holt tief Luft, dann spricht er: "I bin da Franz Josef und da war i dahoam." Die Serie, auf die er anspielt, wird in Dachau auf einem ehemaligen Industriegelände gedreht.

Aber Schleich war es nicht nur lustig zumute. Er schlüpfte in die Rolle eines Wutbürgers, der ein paar Bauarbeiter meuchelt. Denn: "Wer vier Mal in der Woch' vier Mal die Straß aufreißt, dem ghörts ned anders." Mit solcher Wucht und Brachialität schlägt er auf das Publikum regelrecht ein. Und das nach Paris und Kopenhagen. Sogar der Bayerische Rundfunk sei ein bisschen Charlie gewesen, sagt er und erklärt das gleich im nächsten Satz mit der "spezifisch bayerischen Selbstironie". Religionen seien ohnehin immer schon so eine Sache: "Mars war auch mal ein Gott, jetzt is´ a Schokoriegel." - "Ja mei." Als sabbernder Heinrich von Horchen setzt er die besten Pointen. Ausgestattet mit Zylinder, Schal und Gehstock stolpert er von Versprecher zu Versprecher.

Mit einem weißen Tuch tupft er sich immer wieder den Mund ab. Ohne erkennbaren Erfolg. Obama wird zu Obamanana, Tsipras zum Tzatziki. Die fleischgewordene Lebensversicherung der Logopädie hat aber auch lichte Momente; dann schießt er scharf. Besonders gegen die EU. Günther Oettinger sei kein Digitalisierungskommissar, sondern höchstens der "Bildschirmschoner" der Europäischen Union. Parlamentspräsident Martin Schulz erinnere ihn dagegen mehr an einen Staubsaugervertreter. Reaktionen im Publikum? Zustimmendes Nicken und Dauergrinsen.

Statt Freibier

Das Kleinkunstprogramm von Heinrich Kellerer, Wirt der Post in Schwabhausen, wird heuer zehn Jahre alt. Freibier, erklärte Kellerer seinen Gästen am Samstagabend, wird keines ausschenken. Er und seine Frau wollten mit dem Geld lieber einen sozialen Zweck unterstützen. Sie haben sich für das Kinder-Hospiz Sankt Nikolaus in Bad Grönenbach entschieden und übergaben einen Scheck über eintausend Euro an Sabine Grund. Die Schwabhausenerin hat vor einigen Jahren selbst ein Kind verloren und arbeitet ehrenamtlich für das 2007 eröffnete Hospiz, das einzige seiner Art in Süddeutschland. Kellerer: "Es ist euer Geld, das wir spenden."rz

"Das Dirndl trachtelt alles zu"

Wut hat auch Lisa Fitz. Zunächst zeigt sie den Mut zur Ironie. Als Frau, weiß sie, braucht man besonders viel Mut: Schließlich muss man sich jeden Tag neu entscheiden, "ob man recht haben oder aber geliebt werden will". Und wenn man dann auf einen Mann stößt, der die gleichen Bedürfnisse hat, wird es zumindest mit dem Rechthaben schwierig. Wer Tag und Nacht am Laptop sitzt, "ist in seelischer Einzelhaft mit der ganzen Welt verbunden" und verkümmert auch physisch: "Die Finger werden immer länger, der Rücken immer krummer. Wir sind Laborratten mit Geldbeutel geworden."

Die Wandlung von Mut in Wut spiegelt sich auch im Outfit von Liza Fitz wider. Da ist zuerst die Frau im aufgepeppten Dirndl, das hübsche, durchaus auch erotische An- und Einblicke erlaubt. "Das Dirndl trachtelt alles zu", weiß Fitz aus eigener Erfahrung, "das Hirn wird unsichtbar - so einfach kann bayerische Unterhaltung sein." Aber unterm Dirndlgwand steckt dann allerdings auch das zwar immer noch sehr feminine, aber doch schon emanzipiertere "Kleine Schwarze" für die Polemik: Deutsche Waffen für die Saudis? Nicht mit ihr: "In ein Land, wo Frauen nicht mal Auto fahren dürfen, liefert man keine Panzer", stellt sie kategorisch fest. "Hand ab, Fuß ab, egal - Hauptsache der Rubel rollt": Bei solchen Deals von "Mutti" Merkel "werd' ich richtig rabiat". Und während Rüstungskonzerne "blühen und gedeihen" und Kriege mit deutschen Waffen unterstützt werden, fühlt sich Lisa Fitz wie der sprichwörtliche "Dreck im Schachterl", der nichts mehr mitzureden hat in einer Demokratie, in der anders als früher auch die "Schwachsinnigen" Zugang zum Parlament haben und dort die Gesetze machen.

Zum Schluss schält sich aus dem Schwarzen die punkige, hautenge Lederhose. Es folgt die musikalische Lisa Fitz. Besonders schön kommt ihre kraftvolle Stimme bei einem Song von Reinhard Mey zur Geltung, der, ganz in ihrem Sinn, vom Mut-Haben in schwierigen Zeiten handelt. Zuletzt verabschiedet sich Lisa Fitz Kusshand werfend von ihrem Publikum, das sie jubelnd feiert. "Schwestern und Brüder", ruft sie ihren Zuhörern im vollbesetzten Post-Saal mit einem Zitat von John Wayne zu: "Auch wenn ihr Angst habt - schwingt euch in den Sattel und reitet los."

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Quelle:
SZ vom 02.03.2015
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