20-Jähriger widersetzt sich Polizeibeamten:Kaum zu bändigen

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Ein junger Mann rastet immer wieder völlig aus - ein Gutachten soll jetzt seine Schuldfähigkeit klären

Von Petra Schafflik, Dachau

Freitagabend, Partystimmung, in einer Dachauer Disco wird fröhlich gefeiert. Doch dann kommt es am 30. April vorigen Jahres zwischen zwei jungen Männern zu einem kurzen Disput, plötzlich verpasst einer dem anderen einen Faustschlag. Also schnappt sich der Sicherheitsdienst den Angreifer, bringt ihn vor die Tür und ruft die Polizei. Als um drei Uhr früh in der Dachauer Inspektion die Meldung von der Schlägerei eingeht, machen sich zwei Streifenwagen auf den Weg. Doch was dann passiert, wirft ein Licht darauf, mit welch unerwartet gefährlichen Situationen die Einsatzkräfte von Polizei und Rettungsdiensten oft konfrontiert sind.

Als die Beamten vor der Disco eintreffen, ist die Lage geklärt und alles ruhig. Der junge Mann, der gerade noch wild mit dem Sicherheitsmann gerungen hat, liegt nun gefesselt auf dem Boden. Der heute 20-jährige Lehrling ist damals nicht ansprechbar, übergibt sich mehrmals. Ein Rettungswagen bringt ihn ins Krankenhaus, wo sich noch auf dem Flur die Lage urplötzlich ändert. "Er war plötzlich fit und klar", schildert jetzt eine Polizeibeamtin als Zeugin dem Jugendschöffengericht, vor dem sich der 20-Jährige wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Nötigung, Beleidigung, Sachbeschädigung und Bedrohung verantworten muss. Denn im Klinikum, so die Zeugin, kommt der junge Mann zu sich, reagiert sofort aggressiv, beleidigt die Einsatzkräfte ohne Pause, bedroht sie und ihr Familie mit dem Tod, tritt nach einer Sanitäterin und verletzt sie an der Schulter. Nach dieser Attacke braucht es ein halbes Dutzend kräftiger Polizisten und Pflegekräfte, um den jungen Mann, einen unauffälligen, schmächtigen Kerl, auf einer Krankentrage zu fixieren. Doch der 20-Jährige gibt nicht auf, beißt eine Handfessel durch. "Wie das funktioniert hat, weiß ich nicht", sagt die Zeugin. Wieder geht ein Gerangel los, weil die Fixierung erneuert werden muss. Der junge Mann windet sich nach Kräften. Obwohl er an Beinen, Bauch und einem Arm festgebunden ist, versetzt er mit dem Kopf einem der Polizeibeamten einen kräftigen Stoß, zerreißt im Handgemenge die Lederjacke der Zeugin. "Wir hatten unsere Mühe und Not", sagt die Beamtin. Als der junge Mann dann in die Arrestzelle der Polizeiinspektion gesperrt wird, geht der Terror weiter. "Von drei Uhr nachts bis zu seiner Entlassung um neun hat er durchgehend Beleidigungen, Verwünschungen und Drohungen geschrien."

Nicht nur die Polizisten rätseln, wie ihnen ein schlanker, nicht gerade groß gewachsener junger Mann solche Probleme bereiten kann. Auch der Angeklagte, der jetzt im frisch gebügelten Hemd mit ernstem Gesicht vor dem Richtertisch sitzt, kann sich sein Verhalten nicht erklären. An den Vorfall habe er keine Erinnerung. "Ein Bier und drei Wodka-Bull, danach weiß ich nichts mehr, das ist ja mein Problem." Tatsächlich wurde für den Tatzeitpunkt ein Blutalkoholgehalt von maximal zwei Promille errechnet, so die gerichtsmedizinische Untersuchung. Auch Cannabis hat der Angeklagte offenbar konsumiert, das zeigt der THC-Wert der Untersuchung. Doch Alkohol und Marihuana "erklären diesen Zustand nicht", betont die Gutachterin. Diese Drogen machten eher träge und müde. Wenn ein Mensch "so lange unbezwingbar ist, rasend und nicht zu beruhigen", dann lasse das an eine Psychose denken.

Tatsächlich war der Ausraster vom April seitdem nicht der einzige Vorfall. Immer wieder eskaliert nun offenbar ein Streit, die Polizei muss anrücken. "Wir fahren jetzt immer mit drei Streifenfahrzeugen hin", erklärt die Beamtin im Zeugenstand. Zuletzt geriet eine Auseinandersetzung mit dem Vater außer Kontrolle. Drei Wochen habe er deshalb in der geschlossenen Psychiatrie verbracht, werde nun medikamentös behandelt, erklärt der 20-Jährige dem Gericht. Möglicherweise war der junge Mann deshalb schuldunfähig, als er im vorigen Jahr auf Polizisten und Sanitäter losgegangen ist. "Wir wollen sie nicht für Taten verurteilen, die Sie nicht zu verantworten haben", betonte Richter Daniel Dorner nach einer kurzen Beratung mit Schöffen, Staatsanwältin und Anwalt. Ein psychologisches Gutachten soll deshalb die Frage der Schuldfähigkeit klären. Bis diese Untersuchung vorliegt, wird das Verfahren ausgesetzt.

© SZ vom 18.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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