Süddeutsche Zeitung

Corona-Pandemie:Münchner CSU sagt Parteitag am Nockherberg ab

Etwa 80 Delegierte sollten eigentlich einen Nachfolger für CSU-Chef Ludwig Spaenle wählen - doch an der Präsenz-Veranstaltung gab es heftige Kritik.

Von Anna Hoben

Die E-Mail kam dreieinhalb Stunden vor dem geplanten Beginn: "Die CSU München verschiebt den heute geplanten Bezirksparteitag mit Neuwahl des Vorsitzenden", teilte deren Vorsitzender Ludwig Spaenle mit. Die Durchführung des Parteitages wäre rechtlich und unter strengen Hygieneauflagen zwar möglich und zulässig. "Es darf aber keinerlei missverständlicher Eindruck, in dieser durch die Pandemie bestimmten Zeit, entstehen", so Spaenle.

Eigentlich sollten am Donnerstagabend bis zu 80 Delegierte im Paulaner am Nockherberg zusammenkommen, um den bayerischen Justizminister Georg Eisenreich zum neuen Chef der Münchner CSU zu wählen. Nachdem es in den vergangenen Tagen immer mehr Kritik an der Entscheidung für eine Präsenzveranstaltung gegeben hatte, sagte die CSU den Parteitag ab - quasi in letzter Minute.

Bei der Partei steht seit Längerem die Wahl eines neuen München-Chefs an. Spaenle hatte bereits im September angekündigt, das Amt vorzeitig abzugeben. Nachfolgen soll ihm Eisenreich, sein bisheriger Stellvertreter. Eine Wahl noch im vergangenen Jahr verhinderte allerdings die Pandemie. Nun wollte man eigentlich nicht länger warten, obwohl die Vorstandswahl regulär ohnehin im Sommer ansteht.

Man nutze dafür "die Lücke", die sich durch die sinkenden Inzidenzzahlen auftue, sagte Bezirksgeschäftsführer Frank Gübner in der vergangenen Woche: "Wir ziehen das jetzt durch." Am Donnerstag lag die Sieben-Tage-Inzidenz in München laut Robert-Koch-Institut bei 28,5. Allerdings weisen Experten regelmäßig auf die Gefahr durch neue Virus-Mutanten hin.

Die Grünen sahen im CSU-Pan einen "handfesten Skandal"

Die CSU hatte argumentiert, dass der große Saal am Nockherberg den Auflagen gerecht werde. Die Veranstaltung sollte so kurz wie möglich gehalten werden, jeder Delegierte sollte an einem eigenen Tisch sitzen, mit Maske und viel Abstand zum nächsten Tisch. Ein digitaler Parteitag mit anschließender Briefwahl komme schon aus formalen Gründen nicht in Betracht, hieß es. Der Parteivorstand habe beschlossen, dass dieses Verfahren nur für all jene Vorgänge angewandt werden könne, die mit der Aufstellung der Bundestagskandidaten zu tun haben - und auch dann nur im Notfall. Man mache die Präsenzveranstaltung also "letztlich, weil wir es müssen", so Gübner vergangene Woche.

So dringend ist es nun offenbar doch nicht, wie die Absage zeigt. Im Vorfeld war heftige Kritik an der Präsenz-Veranstaltung laut geworden. "Wir können das in keiner Weise nachvollziehen", sagte Joel Keilhauer, Vorsitzender der Münchner Grünen. Seine Partei werde am 20. März einen Parteitag abhalten, "in rein digitaler Form". Natürlich dürfe die Demokratie in der Pandemie nicht pausieren, "aber es gibt andere Möglichkeiten".

Grünen-Landeschef Eike Hallitzky sprach gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR) gar von einem "handfesten Skandal". Auch der Chef der oberbayerischen SPD, der Landtagsabgeordnete Florian Ritter, zeigte sich im BR verwundert: "Ihren Vorsitzenden könnten sie auch noch im Sommer wählen." Die oberbayerische SPD habe ihren geplanten Parteitag mit Neuwahlen wegen Corona "ganz weit nach hinten geschoben".

Der FDP-Abgeordnete und Landtagsvizepräsident Wolfgang Heubisch ärgerte sich in der vergangenen Woche auf Twitter darüber, dass ausgerechnet die CSU eine solche Veranstaltung plant: "Kein Gedanke an Öffnungsperspektiven, aber ein Parteitag in Präsenz?" Das sei "ein sehr fragwürdiges Zeichen an die Bürger, die mit Durchhalteparolen hingehalten werden".

Die Münchner CSU gilt als kompliziert zu führen

Nach der Absage muss Eisenreich nun also noch eine Weile warten. So mancher bezeichnet ihn ohnehin schon als heimlichen Bezirkschef, seit Ludwig Spaenle 2018 erst aus dem Kabinett und dann aus dem Landtag flog. Auf den neuen Chef wiederum warten große Aufgaben. Der Bezirksverband gilt als kompliziert und nicht einfach zu führen. Die CSU muss in München den Spagat hinbekommen, eine konservative Volkspartei zu sein und gleichzeitig in der liberalen Mitte Wähler anzusprechen.

Eisenreich, der schon länger als starker Mann in der Münchner CSU gilt, hat das Ergebnis der Kommunalwahl im vergangenen Jahr mitzuverantworten. Damals war die CSU nach sechs Jahren an der Macht wieder aus der Stadtregierung geflogen und hatte auch ihre anderen Ziele verpasst: die Oberbürgermeisterin zu stellen und die stärkste Fraktion zu sein.

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