CSU München:Aus dem Schmerz erwächst Hoffnung

Hinter vorgehaltener Hand diskutiert die CSU die Personalie Seehofer. Als neuer Messias der Christsozialen gilt dagegen ein Münchner.

Berthold Neff

Vernichtende Niederlage für die SPD, ein tiefblaues Auge für die CSU: Dieses Ergebnis bescherte die Bundestagswahl vor gut drei Wochen den beiden großen Parteien in München. Die Tatsache, dass die CSU noch klar über der 30-Prozent-Marke blieb, während die SPD in München auf einen historischen Tiefstand von nur noch 19,3 Prozent abrutschte, hat bei den Christlich-Sozialen eine schonungslose Analyse des Wahlergebnisses bisher verhindert.

CSU München: Bei den OB-Wahlen 2008 noch chancenlos gegen Amtsinhaber Christian Ude (SPD), gilt Josef Schmid als neuer Hoffnungsträger der Münchner CSU.

Bei den OB-Wahlen 2008 noch chancenlos gegen Amtsinhaber Christian Ude (SPD), gilt Josef Schmid als neuer Hoffnungsträger der Münchner CSU.

(Foto: Foto: dpa)

Doch verloren hat auch die Münchner CSU, und zwar deutlich. Sie rutschte in der Wählergunst um 5,4 Punkte ab und kommt derzeit nur noch auf 32,1 Prozent, das ist nur ein Hauch mehr als bei der Landtagswahl 2008 (31,7 Prozent), die die CSU die absolute Mehrheit in Bayern und das Tandem Günther Beckstein und Erwin Huber die Ämter kostete.

Welche Konsequenzen zieht Münchens CSU aus diesem Ergebnis, das ihr Bundestagsabgeordneter (und früherer Chef) Peter Gauweiler noch am Wahlabend schonungslos "schlecht" nannte?

Kein offenes Aufbegehren

Vorerst keine. In den zehn Kreis- und 59 Ortsverbänden kommt die Diskussion erst jetzt langsam in die Gänge. Otmar Bernhard, der Bezirksvorsitzende, formuliert allenfalls vorsichtig Kritik an der Strategie des neuen CSU-Chefs Horst Seehofer. Man hätte, so sagte Bernhard jüngst, wohl weniger oft auf die FDP einschlagen sollen, mit der man in Bayern schließlich gemeinsam regiert.

Ein offenes Aufbegehren gegen Seehofer muss sich Bernhard verkneifen, selbst wenn er dazu möglicherweise Lust hätte. Der heute 63-jährige Politiker verlor nämlich vor knapp einem Jahr seinen Posten als Umweltminister, weil der neue Ministerpräsident Horst Seehofer die Generation 60 plus aus dem Kabinett trieb. Würde Bernhard jetzt den Protest der Unzufriedenen gegen Seehofer anführen, könnte dies allzu leicht als späte Rache ausgelegt werden. Ludwig Spaenle, der als neuer Kultusminister den Münchner Platz am Kabinettstisch übernehmen durfte, warnte bereits vor einem "rückwärtsgerichteten Nachtreten" und hatte dabei offensichtlich Bernhard im Visier.

Spaenle, 48 Jahre alt und derzeit Bernhards Stellvertreter im Bezirksvorsitz, gilt durchaus auch als Anwärter auf die Chefposition bei den Münchner Schwarzen. Bei der Bezirksvorstandswahl im Juni verzichtete er noch auf eine Kandidatur gegen Bernhard - wohl auch deshalb, weil er nicht sicher sein konnte, dass es für ihn zum Sieg reichen würde.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Chancen sich die Münchner CSU bei den nächsten OB-Wahlen ausrechnet.

Viel Unzufriedenheit

Wer sich in der CSU-Basis herumtreibt, hört und spürt viel Unzufriedenheit mit der Politik von Horst Seehofer. Ihren Namen möchten die Kritiker zwar lieber nicht in der Zeitung lesen, aber sie machen Seehofer unumwunden dafür verantwortlich, dass die CSU bei dieser Wahl so stark einbrach. Die Münchner können sich bei dieser kritischen Haltung immerhin darauf berufen, weniger verloren zu haben als die Landes-CSU, die bayernweit einen Verlust von 6,7 Prozent gegenüber 2005 verkraften musste.

Hinzu kommt, dass sich der Münchner Bezirksverband nach den Querelen vergangener Jahre nun wieder frei von Affären präsentiert, was erst durch die moderierende Arbeit von Otmar Bernhard möglich wurde. Er übernahm vor fünf Jahren die undankbare Aufgabe, die Scherben zusammenzukehren, die Monika Hohlmeier bei ihrem Kurz-Gastspiel an der Spitze des Bezirksverbands hinterlassen hatte.

Echte Alternative

Dass Horst Seehofer die Strauß-Tochter danach noch mit einer Kandidatur zur Europawahl belohnte, haben ihm die Münchner bis heute nicht verziehen. Die Empörung wurde lediglich dadurch gemildert, dass Seehofer es den fernen Oberfranken zumutete, sich künftig von der Münchner Export-Politikerin in Brüssel vertreten zu lassen.

Und zweifelsohne kann die Münchner CSU nun auch mit Josef Schmid punkten, dem CSU-Fraktionsvorsitzenden. Schmid, just am Tag dieser Bundestagswahl 40 Jahre alt geworden, hat zwar die OB-Wahl 2008 gegen Amtsinhaber Christian Ude (SPD) klar verloren, aber bis 2014 kann er sich als echte Alternative profilieren - zumal sich die SPD mit der Ude-Nachfolge so arg schwertut.

SPD-Strategen rechnen bereits damit, dass es bei der nächsten OB-Wahl eine Stichwahl geben wird. Und wenn die SPD bis dahin nicht aus ihrem Tief kommt, ist ein schwarzer Oberbürgermeister nicht mehr auszuschließen. Nicht zuletzt, weil er die CSU-Hoffnung auf einen solchen Rathaus-Sieg verkörpert, kommt Schmids Stimme bei der nun fälligen Wahlanalyse besonderes Gewicht zu.

Weiterhin stärkste Kraft

Und was sagt der Hoffnungsträger ? Josef Schmid findet das CSU-Ergebnis "gar nicht so schlecht". Die CSU habe den Münchner Norden wieder erobert und ihren Vorsprung vor der SPD auch sonst vergrößert. Trotz des gesellschaftlichen Wandels, der die großen Volksparteien schrumpfen lasse, sei es der CSU gelungen, sich als stärkste Kraft zu behaupten. Das SPD-Ergebnis von 19,3 Prozent wertet er als "weiteres Indiz, dass die SPD ohne Christian Ude ganz tief sacken kann" und sich für die CSU eine realistische Perspektive entwickelt, Rot-Grün im Rathaus abzulösen. Schmid: "Der von mir verfolgte Kurs einer liberalen, offenen Großstadt-CSU, die dennoch auch wertkonservativ bleibt, ist genau der richtige für 2014."

Schmid warnt davor, Seehofer allein für das CSU-Ergebnis verantwortlich zu machen, "monokausale Erklärungen bringen uns nicht weiter". Die CSU habe schon 2003 Glaubwürdigkeit eingebüßt, auch das müsse nun diskutiert werden. Begonnen wird damit aber erst im November, nach Ende der Koalitionsgespräche in Berlin.

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