Politik in Bayern:Woran lag der Absturz der CSU in München?

CSU-Politikerin Tina Pickert in München

Berlin, Berlin, alles nur Berlin: CSU-Landtagskandidatin Tina Pickert drang im Wahlkampf mit lokalen Themen nicht durch.

(Foto: Robert Haas)
  • Nach der Landtagswahl hat die CSU in München fünf von neun Stimmkreisen an die Grünen verloren und ist in der Landeshauptstadt auf unter 25 Prozent gefallen.
  • Die Basis kritisiert, dass die CSU zu wenig gute Laune verbreitet habe. Sie fordert auch mehr großstädtischen Lifestyle.
  • Parteichef Horst Seehofer zählt für viele in der Münchner CSU-Basis dagegen schon zur Vergangenheit.

Von Dominik Hutter

Die Kandidatin hat durchaus Eindruck hinterlassen. Katharina Schulze "zieht sich gut an, zieht sich konservativ an und redet über das schöne Bayern", analysiert Alexa von Künsberg. Nicht, dass Künsberg auch inhaltlich von der Spitzenfrau der Grünen überzeugt wäre - die 40-Jährige ist CSU-Mitglied im Ortsverband Altstadt und bekennt sich klar zu den Werten ihrer Partei. Nur: Das frische und lebendige Auftreten der Grünen im Wahlkampf habe bei vielen Münchnern Eindruck hinterlassen. Außenwirkung - auch darauf komme es an. "Die Leute haben Grüne gewählt, weil die immer so gut gelaunt waren", sagt auch Lea Bosch von der Jungen Union. Die CSU dagegen habe eher das Gegenteil verbreitet. Unnötigerweise, denn eigentlich spreche angesichts der eigenen Bilanz nichts gegen eine gute Stimmung in der bayerischen Politik.

31 Prozent haben die Grünen in München mit ihrer guten Laune erreicht. Die CSU ist auf unter 25 abgesackt. Das gibt zu denken. Zumal die CSU landesweit ja gerade noch mit zwei dunkelblauen Augen davongekommen ist, wie es Rathaus-Fraktionschef Manuel Pretzl schon in der Wahlnacht gesagt hat. In München dagegen ist die Situation dramatisch: Fünf von neun Stimmkreisen sind am 14. Oktober an die Grünen gefallen, im Stadtzentrum liegen fast 30 Prozentpunkte zwischen der Regierungspartei und den gut gelaunten Herausforderern. "So kann es nicht weitergehen", ist daher einer der meistgesagten Sätze bei einem Diskussionsabend der CSU Maxvorstadt am Donnerstag, bei dem das Abschneiden bei der Wahl thematisiert wird. Wie derzeit in so vielen Ortsverbänden. Nach der Landtagswahl ist schließlich vor der Europa- und Kommunalwahl.

Die große Revolution im Bezirksverband bleibt aus an diesem Abend, auch wenn durchaus Unmut über Erscheinungsbild und Auftreten der Partei geäußert wird. Bezirkschef Ludwig Spaenle wird für das katastrophale Münchner Abschneiden offenbar nicht persönlich haftbar gemacht, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Auch wenn er nach dem Verlust erst des Ministeramts und dann auch noch des Landtagsmandats als angeschlagen gilt. Spaenle aber gibt sich kämpferisch, will die Erneuerung der CSU zur Großstadtpartei, die sie doch eigentlich schon längst sein wollte, mitgestalten.

Mehr großstädtischer Lifestyle, ein klarer Kurs und vor allem weniger Zank und Streit - das gilt den Christsozialen als sinnvolles Rezept für künftige Wahlen. Wobei sich natürlich nicht alle einig sind in ihrer Diagnose: Hat die CSU nun mit ihrem harten Kurs gegen Flüchtlinge die Wähler verschreckt? Oder doch dazu beigetragen, die AfD kleinzuhalten? Spaenle lobt die "harte Abgrenzungspolitik" des Ministerpräsidenten gegenüber der AfD. Stadtrat Hans Theiss hingegen findet, dass der "harte Kampf gegen die AfD in der Frühphase des Wahlkampfes geschadet" habe.

Dass die Wahl vor allem auf der Berliner Ebene verloren wurde, steht für die meisten Christsozialen außer Zweifel. Das gilt für die Basis wie für die Bewerberriege. Theiss, der erfolglos in München-Mitte kandidiert hatte, und seine ebenfalls durchgefallene Milbertshofener Kollegin Tina Pickert berichten, dass sie im Wahlkampf mit lokalen Themen keinerlei Chance gehabt hätten. Im Gespräch mit Bürgern an Infoständen und Haustüren sei es sofort um die Ereignisse in der Bundespolitik gegangen. Ein Name aber fällt auffallend selten bei der Debatte: der von Horst Seehofer. Was, wie mehrere CSUler später erklären, vor allem daran liegt, dass man den Parteichef schon als Teil der Vergangenheit sehe. Bei der Münchner CSU-Basis ist das Thema Seehofer offenkundig so gut wie abgeschlossen.

Spaenle: Die CSU ist in einer "Sandwichposition"

Daran sind vor allem der sommerliche Koalitionsknatsch in Berlin und der innerparteiliche Konkurrenzkampf zwischen den Alphatieren Seehofer und Söder schuld, die die Münchner Christsozialen als äußerst kontraproduktiv einstufen. Wobei die Kritik eher Seehofer als Söder gilt. Die Junge Union jedenfalls ist zu dem Schluss gekommen, dass sich die Union im permanenten Streit mit sich selbst präsentiert habe. Nun müsse die Parteispitze auch Verantwortung für das Wahlergebnis übernehmen - was im Klartext bedeutet, dass jemand zurücktreten muss.

JU-Mann Jakob Schwerthöffer hat zwei weitere Probleme ausgemacht: Die "Möglichkeit einer Koalition mit den Grünen", die angesichts der völlig unterschiedlichen Ausrichtung beider Parteien doch eigentlich undenkbar sei; und den "permanenten Zickzackkurs". Stadtrat Thomas Schmid kommt zu dem Schluss: "Wir müssen Mut zum Wandel haben."

Bezirkschef Ludwig Spaenle sieht die CSU in einer "Sandwichposition". In München sei wie in anderen deutschen Großstädten ein "Milieubruch" entstanden, durch den die Grünen auch für die bürgerliche Mittelschicht wählbar werden. Darauf müsse die CSU reagieren. Immerhin habe man ein Stückweit die AfD abwehren können, so Spaenle - die bildet im CSU-Sandwich die andere Brothälfte. Die Folge dieser "tektonischen Verschiebung im Wählergefüge" habe die CSU am Wahlabend beobachten können, sagt Spaenle, der selbst in Schwabing gescheitert ist - selbst in Hochburgen wie Trudering und Pasing sei der Vorsprung der Konservativen nur "hauchdünn" gewesen. Eine Parteifreundin aus dem Münchner Westen zeigt sich schockiert, dass selbst Bürgermeister Josef Schmid in Pasing so lange zittern musste. Es herrsche "Alarmstufe Rot".

Eine der Errungenschaften des Analyseabends lautet: Man muss den Hauptkonkurrenten inhaltlich stellen. Das sind inzwischen die Grünen, nicht mehr die SPD. "Wir haben uns zu wenig mit den Grünen beschäftigt", kritisiert Günther Westner, der Vorsitzende des CSU-Ortsverbands Maxvorstadt-Marsfeld. Man müsse sie stärker anpacken, "um sie zu entzaubern". Dass das funktionieren kann, gilt in der CSU als unzweifelhaft. Wohnungsbau ohne Flächenverbrauch gehe nun einmal nicht, und auch Windräder benötigten Platz. Statt diese Widersprüche aufzuzeigen, habe man "gekuscht", sagt der Bezirksausschusspolitiker Gerhard Mittag.

Parteifreundin Künsberg glaubt, dass viele Münchner mit den Grünen ihr schlechtes Gewissen gewählt haben, frei nach dem Motto: Dann ist es ja nicht gar so schlimm, weiterhin im dicken SUV herumzufahren. "Die Grünen muss man sich erst einmal leisten können", sagt CSU-Bezirkschef Spaenle. Klassische CSU-Themen wie Wirtschaft, Sicherheit oder Finanzen hätten im Landtagswahlkampf eine untergeordnete Rolle gespielt, weil sie in Bayern als Selbstverständlichkeit gewertet würden.

In der Parteibasis gibt es allerdings auch Stimmen, die eine Öffnung der CSU für Umweltthemen fordern. Die Partei müsse sich einen "ökologischen Touch aneignen", sagt Armin Gastl, der Ortschef der Altstadt.

Für die Münchner CSU, das ist eindeutig, war es ein schwieriger Sommer. Dass in einem wichtigen Wahljahr in der Landeshauptstadt Zehntausende gleich mehrmals gegen die Partei demonstrierten, hat nicht nur Sorge, sondern auch Wut und Unverständnis hervorgerufen. Wut, in die ultrarechte Ecke gestellt und mit der AfD in einen Topf geworfen zu werden - das müssen sich in den Augen der CSU-Basis sowohl die Demo-Unterstützer als auch die Medien ankreiden lassen. Speziell der pauschale Vorwurf der Hetze ärgert die Christsozialen bis heute. "Wo habe ich gehetzt?", fragt Pickert. Die Frage ist rhetorisch gemeint. Stadtrat Schmid schlägt die Gründung eines CSU-eigenen Social-Media-Teams vor - um die Außenwirkung der Partei künftig selbst gestalten zu können.

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