CSU-Kandidat Josef Schmid:Der nette Kandidat

Lesezeit: 3 min

Josef Schmid tourt mit einem alten VW-Bus durch alle Stadtviertel. Sein "Schmidsprechen" gilt auch beim politischen Gegner als professionell. (Foto: Florian Peljak)

Mal schmäht jemand Schwule und Lesben als "schrille Minderheit", mal stören alte Law-and-Order-Töne und jetzt auch noch die Gehälter-Affäre: Josef Schmid hat es im OB-Wahlkampf nicht leicht, die CSU in München als Großstadtpartei zu präsentieren. Er setzt auf liberale Töne. Doch das ist nicht allen in seiner Partei aggressiv genug.

Von Dominik Hutter

An dem Thema kommt derzeit kein Christsozialer vorbei. Auch Josef Schmid nicht, obwohl der Münchner OB-Kandidat gar nichts dafür kann. Schmid reicht das Mikrofon ins Publikum. An einen Mann, der nun vor versammelter Zuhörerschaft eine Lanze brechen will für die arme Partei, die wegen der Verwandten-Affäre zu Unrecht so beschimpft worden sei.

"Ich würde doch auch meine Frau anstellen", betont der Redner - die sei schließlich die zuverlässigste Geheimnisträgerin. Schmid sagt nichts dazu. Er weiß, dass mit einer Nix-gewesen-Haltung derzeit kein Blumentopf zu gewinnen ist. Auch wenn sie an der Münchner Parteibasis durchaus verbreitet ist.

Aber im Moment ist eher Demut gefragt. Diese Rolle übernimmt Ludwig Spaenle, der gerade erst seiner als Sekretärin angestellten Ehefrau kündigen musste. Der Minister schnappt sich das Mikrofon. "Es war nicht angemessen, was ich gemacht habe", erklärt er in ruhigem Tonfall. "Ich habe die Situation nicht richtig eingeschätzt." Münchens CSU-Chef gibt sich zerknirscht an diesem Abend, wirkt zurückhaltender als sonst. Aber vielleicht täuscht der Eindruck auch. Das Publikum, überwiegend CSU-Mitglieder oder -Sympathisanten, scheint ihm den Fehltritt jedenfalls nicht übel zu nehmen.

Auch zwischen Spaenle und Schmid knirscht es nicht. Die beiden so unterschiedlichen Typen, denen immer wieder ein Konkurrenzverhältnis nachgesagt wird, scheinen sich gut aneinander gewöhnt zu haben. Da ist dann auch einmal ein Spruch über den grellgemusterten Minister-Schlips drin. "Hässliche Krawatten sind ja wieder in", frotzelt Schmid.

Der OB-Kandidat, derzeit auf Wahlkampftour durch alle Stadtbezirke, ist es gewohnt, dass ihm die eigene Partei Steine in den Weg legt. Mal schmäht jemand Schwule und Lesben als "schrille Minderheit", mal stören alte Law-and-Order-Töne die gewünschte Neuausrichtung als moderne Großstadtpartei.

Schmid, der Liberale, hält nichts von scharfen Tönen, und schon gar nichts von rechtslastigen. Er findet das Ehegattensplitting überholt, engagiert sich vehement für den Bau einer Moschee, hat keine Probleme mit der Homo-Ehe und kämpft gemeinsam mit seinen Konkurrenten von SPD und Grünen für den "Isarboulevard". Also für eine temporäre Straßensperrung. Im Rathaus gilt Schmid als netter, umgänglicher Kollege. Zu nett, wie manche finden - gelegentlich leidet der Kandidat unter Beißhemmung. Ein Polter-Wahlkampf ist mit Schmid jedenfalls nicht zu erwarten.

Natürlich schafft eine solche Haltung auch Probleme. Es ist auffallend, wie einig sich die OB-Kandidaten von SPD, CSU und Grünen in vielen Dingen sind. Wenn aber alle ähnliche Forderungen stellen, fällt es schwer, ein eigenes Profil herauszuarbeiten. Schmid, 43 Jahre alt und verheirateter Vater zweier Kinder, setzt auf staatsmännische Seriosität. Als ihn bei seiner "Schmidsprechen"-Tour in der Maxvorstadt die Anti-Tiefgaragen-Aktivisten vom Josephsplatz ins Gebet nehmen, lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen. "Ich habe im Stadtrat für die Garage gestimmt", sagt er ganz offen. Und begründet ausführlich, warum er das Projekt für sinnvoll hält. Schmid kann sich sogar vorstellen, nach dem Garagen-Bau an der Oberfläche Parkplätze aufzugeben. Das haben bislang noch nicht einmal die Grünen gefordert.

Warum aber sollen die Münchner einen CSU-Kandidaten wählen, der doch gar nicht so viel anders machen will als die nun regierende Koalition? Schmid findet, dass es bei Rot-Grün an der Umsetzung der eigenen Pläne hapert. Dass vieles verschlafen wurde und dass die "Regierungsparteien" in ihrer Machtbesessenheit Postenschacherei betreiben. Natürlich gibt es auch einige thematische Unterschiede: Für Schmid sind bei der anstehenden Nachverdichtung die Gartenstädte absolut tabu. Und wer den Autofahrern allzu sehr auf die Füße steigen will, kann auch nicht auf das Verständnis des Oppositionschefs hoffen.

Bei Stadtratssitzungen ist die Wirkung der CSU stark von ihrer Tagesform abhängig. Als mit dem Hygiene-Skandal das Thema Stadtklinikum in die Diskussion kam, griff Schmid rasch zu, erhob Vorwürfe, forderte Rücktritte und ernannte rot-grüne Postenschacherei zur Ursache allen Übels. Klassische Oppositionsarbeit. Vor einigen Monaten gelang ihm der Coup, die angeblich so solide Haushaltsbilanz Christian Udes als Taschenspielertrick erscheinen zu lassen. Weil die Milliardenschulden der städtischen Unternehmen unterschlagen würden. Ude reagierte empört.

Manchmal aber macht es die CSU den Regierenden auch sehr einfach. Dann ist von Opposition nicht allzu viel zu spüren im Sitzungssaal, und man fragt sich, wie wichtig dieser CSU ein Machtwechsel eigentlich ist. Schmid ist ein akzeptabler Redner. Aber mit den ebenso geschliffenen wie zugespitzten Beiträgen Udes kann er nicht mithalten. Dieses Schicksal teilt er allerdings mit sämtlichen Mitbewerbern - das Rathaus ist nicht unbedingt als Cicero-Akademie berühmt. Dafür weiß Schmid auf Nachfragen zu vielen Kommunalthemen auch spontan zu antworten. Allerdings nicht zu allen. "Damit habe ich mich noch nicht beschäftigt", sagt er dann. Ein Eingeständnis, das man als Schwäche werten könnte. Oder als Stärke - weil es ehrlich ist.

Bei seiner "Schmidsprechen"-Tour, die ihn im gasbetriebenen Uralt-VW-Bus bislang in neun Stadtbezirke geführt hat, setzt Schmid auf eine selbst vom politischen Gegner als professionell anerkannte Wahlkampfstrategie. Der liberale Kandidat einer konservativen Partei wird auf Plakaten und Werbezetteln im cool gestylten Retro-Look präsentiert - was durchaus stimmig wirkt. Dabei ist Schmid noch nicht einmal offiziell zum OB-Kandidaten der CSU nominiert. Dies soll erst an diesem Montag geschehen. Ein Tag später ist dann schon wieder "Schmidsprechen", diesmal in Hadern.

© SZ vom 11.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: