CSD:"Ganz München hasst die CSU"

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Es geht auch ums Gesehenwerden - bunte Flügel in In Regenbogenfarben. (Foto: imago/ZUMA Press)

Bei einer der spektakulärsten Paraden zum Christopher Street Day in München demonstrieren am Samstag 15 000 Menschen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Die bayerische Regierungspartei aber erntet Pfiffe und Buhrufe - und auch Schwule und Lesben in der Union werden angefeindet.

Von Jessica Schober

Lack und Latex, Tiermasken und bunte Kostüme gehören zu diesem Straßenumzug dazu. Doch der Christopher Street Day (CSD) ist mehr als ein buntes Spektakel. 15 000 Menschen sind am Samstag bei der Politparade vom Marienplatz mit mehr als 130 Wagen und Fußgruppen über den Stachus zum Gärtnerplatz gelaufen, um gegen Ausgrenzung zu demonstrieren und die sexuelle Gleichberechtigung zu feiern. Die Polizei zählte 160 000 Zuschauer, das ist Rekord für München. Doch bei der Veranstaltung der LSBTI-Community (schwul, lesbisch, bi, trans- und intersexuell) ging es nicht nur um ein Miteinander ohne Vorurteile, sondern auch um eine Abrechnung mit der CSU-Politik der vergangenen Wochen.

Bereits bei der Auftaktkundgebung am Marienplatz wurde CSU-Stadtrat Hans Theiss mehrfach unterbrochen. Er sagte: "Wir unterstützen den CSD und das queere und bunte Leben dieser Stadt." Bei einigen Formulierungen der CSU-Oberen sei er "nicht ganz glücklich" gewesen. Gleichzeitig mahnte Theiss "Toleranz ist keine Einbahnstraße" - und kassierte dafür Buh-Rufe und Pfiffe. Sein Stadtratskollege Dominik Krause (Grüne) nannte die Christsozialen eine Partei, "die in den letzten Monaten keine Gelegenheit ausgelassen hat zu hetzen". Niemand von den CSU-Politikern vor Ort habe den Kurs der Partei kritisiert. "Ich will mit solchen Menschen nicht demonstrieren", rief Krause und erntete stürmischen Applaus. Später versammelten sich rund 20 junge Menschen vor dem Wagen der LSU, dem Bundesverband der Lesben und Schwulen in der Union, und blockierten die Abfahrt des Trucks. Mit CSU-kritischen Plakaten skandierten sie "Ganz München hasst die CSU". Schließlich musste die Sitzblockade durch die Polizei aufgelöst werden. Auf gezeigte Mittelfinger antworteten die Mitfahrenden auf dem LSU-Wagen mit freundlichem Winken.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Gruppe der Rainbow Refugees, die vom schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum Sub mit Protestschildern ausgestattet worden war, auf denen beispielsweise stand "Ich pflege alte Menschen". Einer von ihnen war der 31-jährige Richard Mwelelo aus Tansania. Er war das erste Mal bei einer Pride-Parade und sagte: "Ich bin stolz und glücklich heute hier sein zu können und mich zeigen zu können." In der Gemeinschaftsunterkunft habe er als Schwuler viel Schikane ertragen müssen, auch von anderen Geflüchteten. Ähnliches berichtet Farahnaz Nejadensau, Ehrenamtskoordinatorin bei der Inneren Mission, die gezielt geflüchtete Menschen aus der Community berät. "Es gibt da auch viel Druck von den eigenen Landsleuten. Ich kenne zwei Geflüchtete, die eine Gemeinschaftsunterkunft verlassen mussten, weil sie es dort als Homosexuelle nicht ausgehalten haben." Die 17 geschützten Wohnplätze für queere Geflüchtete in der Stadt seien viel zu wenige.

Dass sich mit einer CSD-Teilnahme Sympathiepunkte sammeln lassen, hat sich unterdessen auch bei vielen Unternehmen herumgesprochen. Immer mehr Firmen stiegen mit einem eigenen Wagen in die Parade ein, posteten unter Hashtags wie #siemenspride, tanzten auf dem wild schaukelnden Daimler-Truck zu den wummernden Beats oder machten es wie BMW und präsentierten auf dem Marienplatz einen i8 in Regenbogencouleur. Katrin Heigel, Geschäftsstellenleiterin der Münchner Allianz-Filialen, hat mit einem zehnköpfigen Team erstmals einen Allianz-Wagen für ihre Kolleginnen und Kollegen organisiert. Sie habe einen diversen Freundeskreis und wollte auch in der Arbeit ein Zeichen setzen, dass es dort bunter zuginge als man denke. Dennoch habe sie mit der anfänglichen Idee zur Firmenteilnahme "nicht nur offene Türen eingerannt", erzählt sie. Es sei immer noch nicht leicht, offen über sexuelle Vielfalt zu reden.

Das spürt auch Florian Kamphuber. Der 28-jährige Filmproduzent beschreibt die Atmosphäre gegenüber Schwulen, Lesben, Bi-, Trans- und Intersexuellen als "pseudo-offen". Er sei nun seit vier Jahren mit seinem Partner zusammen und wünsche sich ein Kind. "Auf dem Papier können wir zwar ein Kind adoptieren, aber in der Realität ist es noch immer fast unmöglich." Er war heuer das dritte Mal beim CSD dabei. "Es ist wichtig hier Gesicht zu zeigen, und für mich geht das auch ohne Kostüm." Der CSD sei kein Fasching, sondern eine politische Veranstaltung, schließlich stünden die errungenen Freiheiten im Moment wieder auf dem Spiel.

Gleichzeitig feierte die Community ihre Erfolge. Auf der Rednerbühne sagte SPD-Landtagskandidatin Micky Wenngatz, sie habe nun 38 Jahre darauf gewartet, ihre Frau heiraten zu können. Auch wenn das nirgendwo explizit angekündigt oder gezählt wurde: Selten werden wohl so viel frisch Verheiratete demonstriert haben, wie beim diesjährigen Christopher Street Day. Schon in der S-Bahn zum Marienplatz tauschten sich Menschen in regenbogenfarbenen T-Shirts und Turnschuhen darüber aus, welche Worte die Standesbeamten bei ihrer Hochzeit gefunden hatten. Dass die "Ehe für alle" nun seit gut einem Jahr möglich ist, hat viele der gleichgeschlechtlichen Paare beflügelt.

© SZ vom 16.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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