Das Motto, das sich die Münchner Community in diesem Jahr aufs Regenbogen-Banner schreibt, ist so stolz wie kämpferisch: „Liberté, Diversité, Queerité“. Freiheit, Vielfalt und sexuelle Selbstbestimmung sind in Anlehnung an das Leitmotiv der Französischen Revolution die Devise des Christopher Street Days (CSD) 2025 in München. „Es ist einer der wichtigsten CSDs seit Langem“, sagt der schwule Münchner Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) am Mittwoch bei der Vorstellung des jährlichen Großevents der Szene. Weltweit stiegen Druck und Zahl der Übergriffe auf Schwule, Lesben, trans- und intergeschlechtliche Menschen. Auch in Bayern und München. Auf Party wollen die Veranstalter deshalb aber nicht verzichten.
Viele Medienvertreter drängen sich im kleinen Münchner Schwul-Queeren-Zentrum Sub an der Müllerstraße, als die fünf Trägervereine erst die gesellschaftliche Lage der Community und dann das üppige Programm für die zwei sogenannten Pride-Weeks sowie den Hauptact, die Politparade am 28. Juni, vorstellen: Der CSD und die zunehmende Diskriminierung und Gewalt gegenüber der LGBTIQ*-Gemeinde sind ein Thema. Das lässt sich längst in Statistiken messen. Zahlen dazu gibt es von Fachleuten auf dem Podium.
„Queerfeindliche Narrative wirken“
Die zunehmenden Angriffe kämen teilweise organisiert aus der rechtsextremen Szene, „weil die Angst und Druck machen wollen“, sagt Krause, der im vergangenen Jahr erstmals die Politparade angeführt hatte. „Gemeint sind wir alle!“ Es sei deshalb wichtig, zivilgesellschaftliche Solidarität zu zeigen. Die Politik müsse sich zudem klar positionieren, die Community unterstützen und an erkämpften Gleichstellungen festhalten.
„Die queerfeindlichen Narrative, die Rechtsextreme und Populisten auf Social Media und der Straße verbreiten, wirken,“ bestätigt Diana Horn-Greif, Mitgeschäftsführende des Lesbisch-Queeren Vereins LesCommunity. „Der Wandel zu einer offeneren, bunten Gesellschaft, aber auch die vielen Krisen in unserer Welt machen den Menschen Angst.“ Statt die Leute dabei empathisch zu begleiten, würden Sündenböcke gesucht.
2024 wurden in München 121 Vorfälle in dem Bereich registriert, im Vorjahr waren es 113, sagt eine Mitarbeiterin der LGBTIQ*-Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt „Strong!“. Das beginne bei Beleidigungen und Drohungen, gehe über „Schmierereien mit Mordaufrufen“ im letzten Jahr gegen das Lesbisch-Queere-Zentrum und das Sub weiter und führe bis zu schweren Körperverletzungen. Dazu kommen 61 Fälle von Diskriminierung im Internet. „Wir kratzen hier zahlenmäßig nur an der Oberfläche.“
Gleichzeitig belege eine wissenschaftliche Studie, die vom Markt- und Sozialforschungsinstitut Ipsos für den diesjährigen Pride Month erstellt wurde, so dessen Chefanalytiker Markus Eberl, dass in Deutschland drei Viertel der Befragten der Meinung seien, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transpersonen vor Diskriminierung geschützt werden sollten. „Ein stabiler Wert“, wenn man bedenke, dass die Unterstützung weltweit stark rückläufig sei, in den USA seit 2021 etwa um 13 Prozent. Keinen breiten Konsens gebe es in der deutschen Gesellschaft dagegen für Diversitäts-Programme von Unternehmen. Ausschließlich 38 Prozent hätten sich dafür ausgesprochen.
Auswirkungen zeige in deutschen Unternehmen inzwischen die Politik des US-Präsidenten Donald Trump, der entsprechende Firmen-Programme per Dekret untersagt hatte. „Immer mehr Unternehmen ziehen sich auch bei uns daraus zurück, aus Angst vor politischem Gegenwind vor allem aus den USA und wirtschaftlichen Einbrüchen“, sagt Albert Kehrer, Vorstand der Stiftung Proud@Work, die sich für Chancengleichheit am Arbeitsplatz einsetzt. „Für CSDs in ganz Deutschland hat das fatale Folgen, weil in fast allen Städten Sponsoren ausfallen.“
Knapp 200 000 Euro kostet die Veranstalter allein die Security
Das gilt auch für München. Alexander Kluge, Geschäftsführer des CSD München, spricht von einem Ausfall in „fast sechsstelliger Höhe“. Namen will er nicht nennen. Gleichzeitig schnellten für die Veranstalter die Ausgaben vor allem auch wegen umfangreicher Sicherheitsvorkehrungen in die Höhe. „Wir müssen allein fast 200 000 Euro für die Security ausgeben. Vor Corona kostete uns die noch 46 000 Euro.“ Die Landeshauptstadt habe Unterstützung mit einem bis zu sechsstelligen Betrag zugesagt.
Am großen CSD-Wochenende, am 28. und 29. Juni mit Parade und Straßenfest, müssten alle Zufahrten und Plätze mit insgesamt 22 Sperren abgesichert werden. Erstmals könne der Marienplatz dann mit Gittern komplett umzäunt werden. Die Barrikaden stelle die Stadt zur Verfügung.
Trotz schwieriger Umstände wolle man sich den CSD nicht vermiesen lassen, sagt Kluge. Los geht’s bereits mit den Pride-Wochen von 14. bis 29. Juni. 80 Veranstaltungen stehen über die ganze Stadt verteilt auf dem Programm, darunter Kino, Poetry-Slam, Lesungen, Ausstellungen und Drag-Shows. Das Herz des regenbogenbunten Reigens bildet die Politparade am 28. Juni samt Straßenfest, das auch am 29. Juni noch gefeiert wird.
Auch die CSU ist diesmal bei der Politparade dabei
325 000 Menschen waren es rund um die Parade 2024 in München. Angemeldet haben sich dafür dieses Jahr 200 Gruppen, darunter auch die CSU, wie deren OB-Kandidat Clemens Baumgärtner stolz vermeldet. Zuletzt durfte seine Partei nicht mit eigenem Wagen mitfahren. Die Veranstalter begründeten dies auch mit dem bayerischen Genderverbot. Diesmal sei die CSU, so Baumgärtner, mit den Lesben und Schwulen in der Union (LSU) dabei.
Der Zug startet um 12 Uhr am Mariahilfplatz und endet kurz vor dem Siegestor. Gefeiert wird dann auch rund um die Hauptbühnen am Marien- und Odeonsplatz.